Rettungsassistent auf dem Meer

"Ich bin hier Mädchen für alles"

Stefan Beyer ist Rettungsassistent auf einer der Umspannplattformen mitten in der Deutschen Bucht. Die "Ärzte Zeitung" sprach mit ihm über Lagerkoller und sein Leben auf hoher See.

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Stefan Beyer, Rettungssanitäter der Johanniter auf HelWinn Alpha in der Nordsee.

Stefan Beyer, Rettungssanitäter der Johanniter auf HelWinn Alpha in der Nordsee.

© Johanniter Unfall-Hilfe Weser-Ems.

Das Interview führte Christian Beneker

Ärzte Zeitung: Herr Beyer, Sie sind Rettungsassistent der Johanniter auf der Plattform "Helwin Alpha", 30 Kilometer nördlich von Helgoland. Wie viele Kollegen sind Sie?

Beyer: Wir Johanniter versorgen fünf Plattformen in der Deutschen Bucht mit je zwei bis drei Kollegen im Wechsel. Insgesamt sind wir 28 Leute, darunter auch eine Frau. Aber auf der Plattform arbeiten wir jeweils allein. Allerdings schaffe ich mir hier mein eigenes Team. Denn mit den Besatzungsmitgliedern mache ich erweiterte Erste-Hilfe-Ausbildungen.

Ich bilde zum Beispiel das Rescue Response Team aus, es ist unter anderem die Feuerwehr an Bord. Wir trainieren ständig. Den Koch habe ich zu meinem persönlichen Assistenten gemacht.

Er kann mir im Notfall zuarbeiten, Infusionen vorbereiten oder EKG-Kontakte kleben und so weiter. Zudem sind wir über unsere Leitstelle VENTUSmedic mit dem Telemedizin-Zentrum verbunden.

Wie viele Menschen müssen Sie versorgen?

Beyer: Hier leben und arbeiten derzeit 53 Menschen: Handwerker, Köche, Stewards, Ingenieure. Als Rettungsassistent habe ich 24-Stunden-Bereitschaft und bin immer über Funk oder Telefon erreichbar. Ich organisiere auch den Crew-Transfer, die Hotel-Listen und prüfe per Checkliste die Hygiene in der Küche.

Sie kooperieren im Rahmen des WINDEAcare-Projektes über Telemedizin mit den Notärzten des Klinikums Oldenburg. In welchen Fällen brauchen Sie die Hilfe der Oldenburger?

Beyer: Das ist sehr verschieden. So war ein Besatzungsmitglied umgeknickt. Da habe ich dann die Oldenburger Notärzte konsultiert. Ich kann mich dann in das telemedizinsche Netzwerk einwählen und zum Beispiel die Vitalwerte des Patienten, Fotos oder Filmaufnahmen übermitteln.

So können die Notärzte direkt drauf schauen. Wir arbeiten vertrauensvoll und persönlich zusammen, per Telemedizin oder im Medevac.

In einem anderen Fall hatte ich einen Patienten mit Thorax-Schmerzen. Die Symptome waren für einen Infarkt nicht typisch, und ich habe ein großes EKG geschrieben und über VENTUSmedic Oldenburg kontaktiert. Nach gemeinsamer Absprache wurde dann über die Leitstelle der Medevac alarmiert. Bis er da war, habe ich den Patienten betreut.

Wir sprechen dann gegebenenfalls die Medikation ab, die ich hier an Bord nur auf Anweisung geben darf. Glücklicherweise hatte der Patient keinen Infarkt.

Wenn allerdings ein Patient stürzt und zum Beispiel ein Polytrauma erleidet oder ein Besatzungsmitglied akut erkrankt ist, wird natürlich sofort der Medevac über die Leitstelle alarmiert. Andererseits greife ich natürlich nicht wegen jedes Kratzers zum Telefon.

Gibt es auf den Plattformen so etwas wie einen Lagerkoller?

Beyer: Ja. Man darf die psychische Komponente hier draußen nicht unterschätzen. Gerade jetzt, wo der Medevac wegen des Nebels nicht fliegen kann, fühle ich mich als Johanniter auch für die seelische Gesundheit der Mitarbeiter hier verantwortlich. Da bin ich dann Kummerkasten, Streitschlichter und überhaupt: irgendwie Mädchen für alles.

Lesen Sie dazu auch: Telemedizin sei Dank: Schnelle Hilfe auf hoher See

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