In vielen Zelten hört man die Kinder vor Kälte weinen

ISLAMABAD (dpa).Drei Monate ist es her, daß das Beben Teile Pakistans in eine Trümmerwüste verwandelte. Etwa 75 000 Menschen starben, 3,5 Millionen weiteren raubte das Beben vom 8. Oktober ihr Zuhause. Für die Überlebenden ist der Wirklichkeit gewordene Albtraum noch lange nicht vorbei. Der Winter hat neues Leid und Elend über sie gebracht. Eiseskälte und schlechtes Wetter lassen sie um ihr Leben bangen.

Von Can Merey Veröffentlicht:

Viele Zelte sind unter den Schneemassen zusammengebrochen, andere sind völlig durchnäßt. Der eisige Wind aus dem Himalaya kriecht unter die klammen Decken, unter denen Überlebende des Erdbebens verzweifelt Schutz suchen. Nachts höre man Kinder in den Zelten vor Kälte weinen, schrieb ein Reporter der pakistanischen Zeitung "Dawn".

Bereits kurz nach der Katastrophe war klar, daß die Hilfe für die Überlebenden zu einem Rennen gegen den nahenden Winter werden würde. Fieberhaft verteilten Soldaten und Hilfsorganisationen Zelte. Nun ist der Winter da, und viele der Zelte stellen sich - so ein Helfer - als "völlig nutzlos" heraus.

"Mir wurde gesagt, das ist ein widerstandsfähiges Zelt", sagt Salimullah, ein Überlebender, dem UN-Nachrichtendienst IRIN. "Aber schauen Sie es sich an. Es hat noch kaum geschneit, und es ist schon zusammengebrochen."

Frierende Menschen zünden in Zelten Feuer an

Die meisten der verteilten Zelte seien nicht winterfest, sagt Shaheen Chughtai von der Hilfsorganisation Oxfam. Bei eisigen Temperaturen hätten viele Menschen keinen ausreichenden Schutz. Um sich zu wärmen, zünden manche von ihnen in ihren Zelten Feuer an - und setzen so die Zeltplanen in Brand.

Immer wieder berichten pakistanische Medien von Menschen, die an Lungenentzündung und anderen wetterbedingten Krankheiten sterben, unter den Opfern sollen viele Kinder sein. Shaheen Chughtai befürchtet: "Im schlimmsten Fall werden noch viele Menschen ums Leben kommen."

Insgesamt sei die internationale Reaktion auf die Katastrophe nicht ausreichend gewesen, kritisiert Chughtai. Viele Geberländer hätten die zugesagten Mittel zu langsam an die Vereinten Nationen überwiesen und so die Nothilfe verzögert.

Drei Monate nach dem Beben sind bei den Vereinten Nationen (UN) 305 Millionen US-Dollar (etwa 250 Millionen Euro) eingegangen, weitere zehn Millionen sind zugesagt. Das sind nur knapp 60 Prozent der 550 Millionen Dollar (455 Millionen Euro) Nothilfe, um die die Vereinten Nationen so verzweifelt wie wohl kaum jemals zuvor gebeten hatten.

Hilfsorganisationen bitten weiter um Spenden

Hilfsorganisationen rufen weiter eindringlich zu Spenden auf. Doch selbst mit den vorhandenen Mitteln wird die Hilfe immer schwieriger. Zwar brach der Winter einen Monat später als üblich ein, dann aber mit voller Wucht. Schnee fiel bis in tiefe Lagen, schlechtes Wetter brachte die Hilfe zeitweise zu einem fast völligen Stopp.

Hubschrauber konnten nicht starten, Erdrutsche blockierten Straßen. "Es war keine Überraschung, daß es geregnet und geschneit hat", sagt Kathryn Grusowin vom UN-Kinderhilfswerk Unicef. "Aber es war ein Schock zu sehen, wie viel dadurch lahm gelegt wurde."

Für diese Woche werden neue Niederschläge vorausgesagt

Weiterhin herrscht eisige Kälte im Katastrophengebiet, aber immerhin klarte das Wetter Mitte der vergangenen Woche auf. Hubschrauber starteten wieder, Helfer schwärmten aus, um Plastikplanen und Wellblech zum Schutz gegen Regen und Schnee zu verteilen.

Doch schon für Anfang dieser Woche haben Meteorologen neue Niederschläge vorausgesagt. Was dann wird, weiß niemand.

"Wir müssen jetzt schnell sein!", sagt ein Sprecher der UN. "Das ist eine begrenzte Gelegenheit, um Menschen zu erreichen, die wir noch nicht erreicht haben." Für manche von ihnen könnte es die letzte Chance sein. "Die Bedrohung ist sehr real", sagt Grusowin. Die Unicef-Mitarbeiterin: "Bevor die Lage irgendwann besser wird, wird sie sich erstmal noch weiter verschlechtern."

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gelistet als Best-Practice-Intervention

Psychische Gesundheit: OECD lobt deutsches Online-Programm iFightDepression

Wie sich Fehlinfos geraderücken lassen

Das Faktensandwich hilft im Umgang mit falsch vorinformierten Patienten

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Sie fragen – Experten antworten

Impfung gegen Gelbfieber: Ist eine Auffrischung nötig?

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Lesetipps
Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren

Patient mit Hypoglykämie, der seinen Blutzuckerspiegel mit einem kontinuierlichen Blutzuckermesssensor und einer Smartphone-App überwacht.

© martenaba / stock.adobe.com

Trotz Schulung

Die wenigsten Diabetes-Patienten reagieren adäquat auf Hypoglykämie