Blindenfußball

Kicken ohne zu gucken

Stuttgarts blinde Fußballer trainieren für den Start der Bundesliga-Saison. Doch ihr Sport hat schon bessere Zeiten erlebt.

Von Larissa Schwedes Veröffentlicht:
Stuttgarts blinde Fußballer beim Training.

Stuttgarts blinde Fußballer beim Training.

© picture alliance / Sina Schuldt/

STUTTGART. Ein Stürmer schießt, der Ball ist im Netz. Sein Team applaudiert dem Torschützen. "Hat sich gut angehört", ruft Alexander Fangmann. Wie das Tor ausgesehen hat, weiß er nicht. Seine Sehkraft hat Fangmann mit acht Jahren verloren. Der Fußballer ist Kapitän des MTV Stuttgart, der erfolgreichsten Mannschaft in der Bundesliga des Blindenfußballs. Bereits fünf Mal waren die Schwaben seit der Liga-Gründung 2008 deutscher Meister.

Dienstagabends erhellen Flutlichter das 20 mal 40 Meter große Spielfeld im Stuttgarter Westen. Doch die Augenbinden der Spieler schirmen jeden Lichtstrahl ab, damit teilweise sehbehinderte Spieler keinen Vorteil gegenüber Vollblinden haben. Die gelben Bälle sind mit Rasseln gefüllt, so kann man hören, wo sie sind. Es sei denn, es schießen Profis wie Fangmann - die wissen, wie man seine Gegner verwirrt und den Ball beinahe geräuschlos zum Rollen bringt.

Guides dirigieren mit Zurufen

"Es ist ziemlich schwer für Blinde, Fußball zu spielen", sagt Fangmann. "Es braucht viel Vertrauen und den Mut, in die Leere zu laufen." Während seiner Schulzeit versuchte der Spieler noch, mit seinen sehenden Freunden zu kicken. Heute ist er Teil der Nationalmannschaft im Blindenfußball.

Die Liga

» Der Startschuss für die deutsche Blindenfußball-Bundesliga (DBFL) fiel im März 2008.

» Acht Mannschaften aus ganz Deutschland kämpften um den Titel.

» Erster Deutscher Meister wurde die SSG Blista Marburg.

Mehr Informationen finden Sie unter www.blinden-fussball.de

Die Torhüter und die sogenannten "Guides" tragen keine Augenbinden, sie können sehen. "Das Schöne ist, dass niemand ohne den anderen kann", sagt Zoe Reigl, die bereits in der dritten Saison als Guide beim MTV auf dem Platz steht und den Spielern zuruft, wie weit der Ball noch vom Tor entfernt ist. Kennengelernt hat die Abiturientin die Fußballer durch ein Praktikum an einer Blindenschule.

Coach Giuseppe Calaceura trainiert derzeit elf Feldspieler - verglichen mit manch anderer Mannschaft sind das viele. Bei einem Spiel stehen im Blindenfußball vier Feldspieler auf dem Platz. Zeitweise spielten neun Clubs in der Liga, jetzt sind es nur noch sieben.

Reiner Delgado, Sozialreferent beim Deutschen Blinden- und Sozialverband, sieht darin eine Tendenz: "Die Bundesliga wird mit großem Aufwand betrieben. Aber neue Spieler in der Fläche zu gewinnen, das ist durchaus ein Problem."

Die Politik der Inklusion von Behinderten in normale Schulklassen sorge dafür, dass sich blinde Jugendliche seltener gegenseitig kennenlernen – vom gemeinsamen Fußballspielen ganz zu schweigen. "Ein Training zu organisieren ist schwierig, wenn einer aus Braunschweig, der andere aus Oldenburg anreisen muss", sagt Delgado.

Manche Ursachen für Erblindungen – wie beispielsweise grauer oder grüner Star – lassen sich heute operieren. So könne es Delgado zufolge auch am medizinischen Fortschritt liegen, dass die Zahl der blinden Fußballer sinkt.

Hohes Verletzungsrisiko

Anfang Mai kommen die deutschen Blindenfußballer in Wangen im Allgäu für die ersten zwei Spieltage der Saison zusammen. Obwohl der MTV als Favorit gilt, ist der Coach bescheiden: "Am wichtigsten ist mir nicht die Meisterschaft. Sondern die Gesundheit der Spieler."

Das Verletzungsrisiko ist hoch, wenn Menschen ohne Sicht, aber mit viel Tempo, um den Ball kämpfen. "Voy, voy, voy", rufen die Spieler alle paar Sekunden. Das ist Spanisch für "Ich komme" und soll Zusammenstöße verhindern. (dpa)

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