Mehr Härte in der Erziehung? Internatsdirektor in der Kritik

BERLIN (dpa). Sein "Lob der Disziplin" sorgt für Furore: Mit der Streitschrift über den Autoritätsverlust der Erwachsenen und dem Ruf nach mehr Härte in der Erziehung hält sich Bernhard Bueb (69) seit Monaten in den Bestseller-Listen.

Veröffentlicht:

Der einstige Direktor der Internatsschule Schloss Salem schreibt Sätze wie "Ordnung ist die Voraussetzung zum Glück", "Wer gerecht erziehen will, muss bereit sein zu strafen" oder "Der Bildungsnotstand ist die Folge des Erziehungsnotstandes" und spricht damit vielen aus dem Herzen. Das Buch wurde schon mehr als 150 000 Mal verkauft.

Angesichts der PISA-Ergebnisse und der Gewalt an Schulen hat der Theologe und Pädagoge einen Nerv getroffen - auch bei seinen Kritikern. Wissenschaftler haben das Buch von "Deutschlands strengstem Lehrer" ("Bild") jetzt unter die Lupe genommen. Das Fazit: Der einstige Chef des Elite-Internats am Bodensee schwärmt von einer Welt, die es nicht mehr gibt.

"Vom Missbrauch der Disziplin" - in dem neuen Buch (Beltz Verlag) stellen die acht Experten, darunter bekannte Erziehungswissenschaftler wie Werner Bergmann (Hannover) und Hans Thiersch (Tübingen) sowie der Ulmer Neurobiologie Manfred Spitzer, dem pensionierten Direktor ziemlich schlechte Noten aus. Buebs Sprache sei "staksig-bürokratisch", die Vorschläge für Strenge und lückenlose Bestrafung ("Disziplin wirkt heilend") erinnerten an die "schwarze Pädagogik" der Kaiserzeit.

Buebs Rezepte taugten kaum für die moderne Welt. Erfolg im Beruf könne heute nur haben, wer über eine reaktionsschnelle und innovative Intelligenz verfüge. Wer auf Gehorsam und Autorität ohne Begründung setzte, verdamme die Jugendlichen zum Scheitern. Disziplin ohne Vorbehalte gebe die Erwachsenen der Lächerlichkeit preis. "Dies können sich Lehrer, Erzieher und Psychologen heute am wenigsten leisten", schreiben die Kritiker. Zwar lobt Bueb die Familie immer wieder als Kernzelle der Gemeinschaft. Doch der einstige Internatschef hegt ein Misstrauen gegen Familien, "weil sie die Individualität der Sprösslinge fördern ".

Für den Neurobiologen Manfred Spitzer hat zwar Bueb Recht, wenn er das Fernsehen den "Erzieher Nummer eins" nennt. Doch wer glaube, dass Menschen als Rohlinge auf die Welt kommen und nur geschliffen werden müssten, sei auf dem Holzweg. Buebs Ruf nach "knallharter Disziplin" helfe nicht weiter. Denn auch bei der Disziplin gehe es um Vorbilder, Freiheit und um die Suche nach dem richtigen Weg in einer Welt voller moralischer Zweifel.

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neues Teilhabegesetz geht an den Start

So wird Ihre Praxis-Homepage barrierefrei

Lesetipps
Junger Mann mit Schmerzen im unteren Rückenbereich.

© anut21ng Stock / stock.adobe.com

Chronisches Kreuzweh

Studie: Rauchen lässt den Rücken schmerzen

Lungenkrebs so früh wie möglich erkennen und damit die Heilungschancen erhöhen helfen soll das neue Früherkennungsprogramm, das der G-BA beschlossen hat.

© Sascha Steinach / ZB / picture alliance

Beschluss des G-BA

Lungenkrebs-Screening wird Kassenleistung

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung