Operationen, Nachsorge, Traumabewältigung

Er war bereits unmittelbar nach dem Erdbeben in Haiti im Katastrophengebiet im Einsatz, jetzt ist der deutsche Chirurg Dr. Eckehart Wolff erneut mit einem Hilfsteam nach Haiti gereist. Es gibt viele neue Probleme.

Veröffentlicht:

PORT AU PRINCE (fuh). Dr. Eckehart Wolff lebt und arbeitet in Ecuador. Die Lage der Menschen in Haiti bewegt ihn sehr. Mit einem achtköpfigen Krisenhilfsteam ist er jetzt erneut in das Land geflogen, um Erdbebenopfern zu helfen.

Die "Ärzte Zeitung" hatte bei Wolffs erstem Einsatz unmittelbar nach dem Erdbeben Auszüge aus seinen Tagebucheinträgen vor Ort in einer Serie veröffentlicht. In einem Krankenhaus in Haiti ist Wolff jetzt für die Deutsche Missionsgemeinschaft im Einsatz. Das Team für die vor einigen Tagen gestartete Hilfsaktion besteht aus zwei Chirurgen, zwei Allgemeinmedizinern, zwei Krankenschwestern und zwei Ingenieuren. Die Kernaufgaben: Operationen, Nachsorge, Seelsorge und Traumabewältigung. Je nach Bedarf sollen in den kommenden Monaten weitere Helferteams anreisen.

"Ich wusste, dass es diesmal ganz anders wird als damals direkt nach dem Erdbeben", beschreibt Wolff seine ersten Eindrücke nach der Rückkehr ins Krisengebiet vor einigen Tagen. Viele Patienten kämen jetzt ins Krankenhaus, deren Unterarme beim Erdbeben "nur" gequetscht wurden. Damals sei die Erleichterung groß gewesen, dass die Knochen heil geblieben waren.

Die Wunden sind inzwischen verheilt, berichtet Wolff, aber bei nicht wenigen Betroffenen sei der gesamte Unterarm und die Hand unbrauchbar. "Jetzt wird deutlich, dass diese Patienten Durchblutungsstörungen der Muskeln erlitten haben", sagt der Arzt. Seine Diagnose: "Eine Volkmann-Kontraktur, da ist auch mit viel Aufwand nicht mehr viel zu machen." Die Menschen, bedauert er, nähmen das "mit einer manchmal erschreckenden Gleichgültigkeit" hin.

Schwierig sei auch der Umgang mit Schmerzmitteln. US-Schwestern seien gewohnt, dass ein Patient nicht leiden dürfe. So gäben sie Morphin und ähnlich starke Drogen in großen Mengen aus. "Wir haben inzwischen abhängige Patienten, die eine für andere Menschen fast tödliche Dosis für den Verbandswechsel brauchen", sagt Wolff, "das ist für mich ein Kampf an zwei Fronten".

Wiedergesehen hat der Arzt inzwischen das Mädchen, das nach dem Beben drei Tage verschüttet gewesen war und beim Aufwachen aus der ersten Ketanest-Narkose immer sang: "Ich bin gerettet, ich bin gerettet." Ihr Knochen sei geheilt, aber es fehlen ihr einige Sehnen, berichtet der Arzt. Zu Sehnentransplantaten sei es noch zu früh, bedauert er. "Wer wird diese Arbeit später übernehmen?", fragt er sich und befürchtet eine Fehlentwicklung. Wolff: "Es tut einem in der Seele weh, dass wir so begrenzt in unseren Möglichkeiten sind." Für den Arzt ist klar: Die Widersprüche im Land sind seit dem Erdbeben nicht geringer geworden, aber er will sich mit seinem Team nicht entmutigen lassen. Die "Ärzte Zeitung" wird die Arbeit des Arztes auf Haiti weiter redaktionell im Blick behalten.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Wie sich Fehlinfos geraderücken lassen

Das Faktensandwich hilft im Umgang mit falsch vorinformierten Patienten

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ein Mann greift sich an den Fuß.

© Jan-Otto / Getty Images / iStock

Therapievergleich

Akuter Gichtanfall: Am Ende machen alle Wirkstoffe ihren Job

Ein Hinweisschild mit Bundesadler vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

© Uli Deck/picture alliance/dpa

Update

Urteil

Bundesverfassungsgericht: Triage-Regelung nicht mit Grundgesetz vereinbar