Seehofer nimmt die Medizin in den Schraubstock

Es ist ein Paukenschlag, mit dem Horst Seehofer im Frühsommer 1992 die Gesundheitsbranche zittern lässt. Unnachgiebig und mit Rückendeckung des Kanzlers zwingt er Ärzte, Kliniken und Pharmabranche unter Budgets.

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Bonn, 9. Juli 1992. Gut zwei Monate nach seinem Amtsantritt hat Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) den Referentenentwurf für das Gesundheitsstruktur-Gesetz (GSG) fertiggestellt - und im Vergleich zu bis dahin bekannten Plänen weiter verschärft. Das löst einen Aufschrei im gesamten Gesundheitswesen aus.

Besonders hart trifft es die Kassenärzte: Bis Ende 1995 sollen die Gesamtvergütungen nicht stärker steigen als die Grundlohnsumme. Als Basisjahr gibt Seehofer das 1991 vor.

Damit sind alle Verhandlungserfolge, die KBV und KVen im Herbst 1991 und Anfang 1992 honorarpolitisch erzielt haben, auf einen Schlag vom Tisch. Alle neuen Verträge müssen von den Aufsichten genehmigt werden. Bestehen Zweifel an der Beitragssatzneutralität, ist die Auffassung der Staatsaufsicht maßgeblich.

Alle von Kassenärzten verordneten Leistungen werden budgetiert, insbesondere Arzneimittel. Basis sind die 1991er Ausgaben, vermindert um erhöhte Zuzahlungen, Einsparungen durch Festbeträge und staatlich verordnete Preissenkungen.

Das so verminderte Ausgangsniveau wird um 3,5 Prozent als Folge einer steigenden Arztzahl angehoben.

Damit das Budget eingehalten wird, führt Seehofer eine kollektive und individuelle Haftung (Malus) für die Vertragsärzte ein. Übersteigen die Ausgaben für Arznei- und Heilmittel das Budget, dann verringert sich die Gesamtvergütung der Ärzte um den entsprechenden Betrag.

Neue Regelungen für die Zulassung - Kliniken bekommen Budget

Diesem Kollektivregress soll aber nach den Plänen des Referentenentwurfs - in diesem Punkt wird später korrigiert - eine Individualhaftung der Ärzte vorgeschaltet werden: Auf der Basis arztgruppenspezifischer Schwellenwerte, differenziert nach Allgemeinversicherten und Rentnern, bekommt jeder Arzt ein Arznei- und Heilmittelbudget, für dessen Einhaltung er persönlich haftet. Der Grundsatz "Beratung vor Regress" gilt ausdrücklich nicht.

Neue Regelungen auch für die Zulassung als Kassenarzt: Sie kann ab 1993 begrenzt werden; ab 1999 soll eine Zwangspensionierung mit 65 Jahren eingeführt werden.

Auch die Kliniken bekommen ein Budget, das Selbstkostendeckungsprinzip soll aufgehoben werden. Allein bei liquidationsberechtigten Klinikärzten will Seehofer 860 Millionen DM holen.

Um das Gesetz über die parlamentarischen Hürden zu bringen, greift Seehofer zu einem Trick und splittet das Gesetz: Belastungen der Versicherten und Patienten (Sparvolumen 3,2 Milliarden DM) sollen im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig sein.

Für die Belastungen bei Leistungserbringern (Sparvolumen: 8,2 Milliarden DM) setzt Seehofer auf das Placet der Länder. Am Ende kommt es - mit Rückendeckung des Kanzlers - anders: zum Schulterschluss mit der SPD. (HL)

Lesen Sie dazu auch: Ärzte wehren sich gegen Seehofers Sparpläne

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