Psychotherapie

Wenn Kaufen zur Sucht wird

Experten raten bei exzessivem Shopping zur Psychotherapie, besonders wenn weitere psychische Störungen hinzukommen.

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BERLIN. Viele Menschen gehen gerne "shoppen", für rund sieben Prozent aller Menschen wird Einkaufen jedoch regelmäßig zum Rausch. Die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) rät Betroffenen zur Psychotherapie. Dies gelte besonders, wenn exzessives Kaufen zusammen mit weiteren psychischen Erkrankungen wie Depression auftritt.

Für Kaufsüchtige ist nicht der Besitz einer Sache das Ziel, sondern das Kaufen selbst löst ein zumindest kurzweiliges Glücksgefühl aus, teilt die DGPM mit. Doch dieses Glück ist von kurzer Dauer: "Der Kaufepisode geht eine Phase der Depression, Anspannung oder Langeweile voraus", wird Privatdozentin Dr. Astrid Müller von der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover in der Mitteilung zitiert.

Der Kauf werde dann kurzfristig als Befreiung, Vergnügen, Wohlgefühl oder Belohnung empfunden. Schon bald stellen sich Gewissensbisse und Scham ein. Die gekauften Gegenstände werden oft versteckt, gehortet oder weggegeben, so die Psychotherapeutin.

Doch die Folgen der Erkrankung lassen sich nicht verbergen: "Viele Patienten haben substanzielle soziale, finanzielle und nicht selten auch juristische Probleme, wenn sie sich schließlich in Behandlung begeben", so Müller.

Sieben Prozent zeigen Symptome zwanghaften Einkaufens

Untersuchungen zeigten: Rund sieben Prozent aller Menschen zeigen Symptome zwanghaften Einkaufens. "Die Annahme des Kaufzwangs als psychische Erkrankung ist nicht nur eine Frage der Klassifizierung, viel mehr wird damit eine Verhaltensstörung als solche anerkannt. Das schärft das öffentliche Problembewusstsein und hilft Betroffenen", bestätigt Professor Harald Gündel, Ärztlicher Direktor der Uniklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Ulm und DGPM-Mediensprecher.

In aktuellen Studien geht Müller Ursachen der Erkrankung auf den Grund. Sie untersucht, ob die Kaufsucht dadurch entsteht, dass Patienten sich gegen die von der Werbung ausgehenden Impulsen nicht wehren können.

Auffällige Risikobereitschaft

"Tatsächlich fanden wir auch Hinweise darauf, dass das zwanghafte Kaufen durch grundsätzliche Persönlichkeitsvariablen begründet sein könnte", so Müller. So zeigten viele Patienten im "Iowa Gambling Task", einem Test zum Entscheidungsverhalten, eine auffällige Risikobereitschaft, die mögliche negative Konsequenzen leicht vergessen lässt. Kaufsucht tritt häufig in Kombination mit weiteren psychischen Erkrankungen auf.

"Fast zwei Drittel unserer Patienten haben eine Depression", berichtet Müller. Andere leiden an zwanghaftem Horten, das dem Messie-Syndrom sehr ähnlich ist. "Der Kaufzwang ist bei diesen Patienten häufig sehr stark ausgeprägt und die Behandlung deshalb besonders schwierig", erklärt die Psychologin.

Müller wendet eine Verhaltenstherapie an, die die Krankheitseinsicht fördert und Patienten Möglichkeiten aufzeigt, den Kaufdrang zu relativieren und den Kaufrausch zu vermeiden. "Eine Gruppentherapie kann die Kaufsucht effektiv bekämpfen. Daher raten wir Menschen, die eine Zwanghaftigkeit in ihrem Kaufverhalten erkennen, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen", so die DGPM-Expertin. (eb)

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