5000 Hausarztpraxen für zwei Tage geschlossen

MÜNCHEN/BERLIN (sto/HL). Aus Protest gegen die Sparpläne bei Hausarztverträgen haben in Bayern am Donnerstag mehr als 5000 Hausärzte ihre Praxen geschlossen. Auch am Freitag sollen die meisten Hausarztpraxen geschlossen bleiben.

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Sorge um Bestand der Hausarztverträge: Viele Praxen sind in Bayern am Donnerstag und Freitag zu.

Sorge um Bestand der Hausarztverträge: Viele Praxen sind in Bayern am Donnerstag und Freitag zu.

© dpa

"Unser Protest richtet sich eindeutig nicht gegen unsere Patienten", betonte der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes (BHÄV) Dr. Wolfgang Hoppenthaller. Mit den Praxisschließungen solle vielmehr auf die "unaufrichtige Politik" von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler aufmerksam gemacht werden, der mit seinen Sparplänen die geltenden gesetzlichen Bestimmungen zur hausarztzentrierten Versorgung wieder aushebeln wolle. Das gefährde die Zukunft einer wohnortnahen hausärztlichen Versorgung.

Mit seiner Protestaktion will der BHÄV zugleich vor dem Einzug von "anonymen Kapitalgesellschaften in unser Gesundheitswesen" warnen. Ohne Hausärzte sei in einem Flächenstaat wie Bayern die Sicherung der hausärztlichen Versorgung einer immer älter werdenden Bevölkerung "schier undenkbar", sagte Hoppenthaller: "Glauben die Kassen und die Politiker der FDP denn wirklich, Sie könnten uns durch MVZ oder Flying Doctors ersetzen?"

"Die Ängste, die von Verbandsvertretern geschürt werden, sind unberechtigt." (Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler)

"Die Ängste, die von Verbandsvertretern geschürt werden, sind unberechtigt." (Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler)

© dpa

Während Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) Verständnis für die "Verunsicherung der Hausärzte" signalisierte, übte der gesundheitspolitische Sprecher und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion Dr. Otto Bertermann heftige Kritik. Die Behauptung, die FDP wolle die Hausarztverträge abschaffen, sei "reine Demagogie", erklärte Bertermann. "Wir sind für eine freiwillige hausarztzentrierte Versorgung, und es werden auch keine Honorare gekürzt", sagte Bertermann, der als Hausarzt in München tätig ist.

Es gehe lediglich darum, die Zuwächse bei den Honoraren in den kommenden Jahren an die wirtschaftliche Entwicklung der Krankenkassen anzupassen.

Rösler versucht zu beruhigen - Flach gießt Öl ins Feuer

Unterdessen mahnt Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler zur Besonnenheit: "Die Ängste, die von Verbandsvertretern geschürt werden, sind unberechtigt", bestätigte Rösler der "Ärzte Zeitung". Kein Hausarzt werde schlechter gestellt, laufende Hausarztverträge genössen Bestandsschutz, versicherte das Ministerium.

Doch gerade solche Beruhigungspillen will Bayerns Hausärztechef Dr. Wolfgang Hoppenthaller nicht schlucken. Im Finanztableau hat das Ministerium 500 Millionen Euro ausgewiesen, die bei der hausärztlichen Versorgung nach Paragraf 73 b eingespart werden sollen.

"Die Hausärzte leiden auf hohem Niveau." (Ulrike Flach, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion)

"Die Hausärzte leiden auf hohem Niveau." (Ulrike Flach, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion)

© Ossenbrink / FDP

Zum Vergleich: Die Bereinigungssumme für die KV-Vergütung aufgrund der Hausarztverträge in Bayern und Baden-Württemberg belief sich 2009 nach KBV-Angaben auf 351 Millionen Euro.

Unterdessen goss die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach, gestern kräftig Öl ins Feuer: Die Hausärzte "leiden auf hohem Niveau" behauptete sie.

Im Schnitt seien die Hausärzte "die bestverdienende Ärztegruppe", sagte Flach unter Berufung auf Zahlen, die die KBV jüngst vorgelegt hatte.

Das ist allerdings nicht korrekt. Für Hausärzte hatte die KBV ein Durchschnitts-KV-Honorar von 200 164 Euro errechnet, bereits bereinigt um HZV-Vergütungen. Für Fachärzte insgesamt gab die KBV ein Durchschnittshonorar von 203 000 Euro an, das einzelne Fachgruppen aber deutlich überschreiten.

Vorsichtig muss Hoppenthaller dennoch sein: Sein wichtigster Vertragspartner, die AOK Bayern, äußert sich besorgt darüber, dass "unrechtmäßige Streiks die Hausarztverträge gefährden".

Gelassener sieht das naturgemäß die KV: Vorstand Gabriel Schmidt vermutet, dass das Ausmaß des Protests überzeichnet ist - weil viele Ärzte in Wirklichkeit Urlaub machen.

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