Einschneidende Änderungen

AMNOG umgekrempelt!

Überraschung: Kurz vor Ende der Legislaturperiode nimmt Schwarz-Gelb noch zwei einschneidende Änderungen an der frühen Nutzenbewertung vor. Die Arzneihersteller dürfen sich freuen, die SPD ätzt: Das sind Verfälschungen zugunsten der Pharmalobby.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Was dürfen Innovationen kosten? Die frühe Nutzenbewertung soll reformiert werden.

Was dürfen Innovationen kosten? Die frühe Nutzenbewertung soll reformiert werden.

© Gina Sanders / fotolia.com

BERLIN. Seit Anfang 2011 ist die Nutzenbewertung für neue Arzneimittel obligatorisch.

Nun wollen CDU/CSU und FDP zwei wichtige Stellschrauben des Verfahrens nachjustieren: Die Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie sowie die Preisfestsetzung durch die Schiedsstelle, wenn sich Hersteller und GKV nicht einigen können.

Entsprechende Änderungsanträge zum 3. AMG-Änderungsgesetz wurden am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestages beschlossen. Am Donnerstag soll das Gesetz in 2. und 3. Lesung den Bundestag passieren.

Mit dem einen Änderungsantrag werde, so heißt es in der Begründung, "die Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie flexibilisiert". Bisher gilt, dass die wirtschaftlichere Alternative zu wählen ist, wenn evidenzbasiert mehrere Therapien Standard sind.

Künftig soll "der Zusatznutzen gegenüber jeder dieser Therapien nachgewiesen werden" können. "Damit ist es dem pharmazeutischen Unternehmer überlassen, gegenüber welcher der gleichermaßen zweckmäßigen Vergleichstherapien er den Nachweis über den Zusatznutzen erbringt."

Größerer Ermessungsspielraum eingeräumt

Schwarz-Gelb kommt damit Forderungen der Industrie entgegen, die es immer wieder bemängelt, wenn der GBA Studien verlangt, die für die Zulassung nicht gefordert und daher auch nicht aufgelegt wurden.

Zudem beklagen die Hersteller, dass mit Auswahl der wirtschaftlichsten Vergleichstherapie die späteren Preisverhandlungen unter dem Vorzeichen des niedrigsten Generikaniveaus stattfänden.

Mit einem zweiten Änderungsantrag soll der Schiedsstelle ein wie es heißt größerer "Ermessensspielraum" bei der Preisfestsetzung für Innovationen mit Zusatznutzen eingeräumt werden.

So hat das Gremium künftig Erstattungsbeträge "unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls" sowie der "Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes" zu bilden.

Anlass dieser neuen Vorgabe ist die Kritik der Hersteller an einem starren Algorithmus, mit dem die Schiedsstelle den Preis zu ermitteln plante.

Parlamentarische Anhörung gefordert

Wie das "Handelsblatt" berichtet, beabsichtigte sie, den Zusatznutzen zu 49 Prozent zu gewichten, die Kosten der Vergleichstherapie zu 25 Prozent und die Abgabepreise des betreffenden Produktes in anderen europäischen Märkten zu 26 Prozent.

Dem Vernehmen nach haben SPD-Politiker eine parlamentarische Anhörung zu den jüngsten Änderungen der Koalition am AMNOG gefordert.

Karl Lauterbach, im Schattenkabinett von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück als Gesundheitsminister vorgesehen, kommentierte, "eine der wenigen sinnvollen Regelungen dieser Regierung, das sogenannte AMNOG, wird zugunsten der Pharmalobby verfälscht".

Moderatere Töne waren von der gesundheitspolitischen Sprecherin der Grünen, Biggi Bender, zu hören: "Besser eine Lösung auf Bewährung für Probleme in der Nutzenbewertung als ein Berg unerledigter Hausaufgaben für die nächste Regierung."

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Kommentare
Dr. Bernhard Rudy 09.06.201309:43 Uhr

Venünftige Einsicht

Auch wenn die SPD mit Ihren bekannten Vertretern dagegen "ätzt", im Falle einer Großen Koalition würde man dann auch wieder andere Töne entsprechend der Wendehalsstrategie hören.
Immerhin ist diese Einsicht auch ein Bekenntniss zur bisher inakzebtablen Funktion des GBA, nämlich Bewertungen außschließlich um den Preis der radikalen Kostenreduktion durchzudrücken zu Lasten der foschenden Industie und zu Lasten des medizinischen Nutzen für die Patienten (auch Wähler) - ohne Rücksicht auf die Konsequenzen.

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