Ukraine-Krieg

Ärzteorganisation IPPNW: „Wir wissen, was ein konventioneller Krieg bedeutet“

Den militärischen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sieht die Ärzteorganisation IPPNW mit großer Sorge. In der aktuellen Situation kommt der Ärzteschaft eine wichtige Rolle zu, betont IPPNW-Mitbegründer Professor Ulrich Gottstein.

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In Prag demonstrieren am Donnerstag Bürger gegen den russischen Angriff auf die Ukraine.

In Prag demonstrieren am Donnerstag Bürger gegen den russischen Angriff auf die Ukraine.

© Vit Simanek / CTK / dpa / picturealliance

Berlin. Nach dem Angriff russischer Truppen auf die Ukraine darf der Weg der Diplomatie dennoch nicht aufgegeben werden, mahnt die Ärzteorganisation IPPNW – Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.

Der Einmarsch von Putins Truppen „ist ein Kriegsverbrechen“, sagt der Mitbegründer der deutschen IPPNW-Sektion, der Frankfurter Internist Professor Ulrich Gottstein, sehr deutlich im Gespräch mit der Ärzte Zeitung.

Waffenlieferungen würden Lage verschlimmern

Waffenlieferungen würden aber das Leid, das sich anbahnt, verschlimmern. „Das halten wir als Ärzte für falsch, weil es zu großen Lebensgefahren führen würde.“ Wäre die ukrainische Armee vorher stark genug gewesen, um ihre Grenzen zu verteidigen, sähe die Lage anders aus.

„Jetzt Waffen zu schicken, würde ein Krieg innerhalb der Ukraine bedeuten“, so Gottstein. „Wir wissen ja, was schon allein ein konventioneller Krieg bedeutet, aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs, aber auch aus Regionen wie dem Irak.“

Professor Ulrich Gottstein, Mitbegründer der IPPNW-Sektion in Deutschland.

Professor Ulrich Gottstein, Mitbegründer der IPPNW-Sektion in Deutschland.

© Andreas Schoelzel, Berlin

Im Ukraine-Konflikt sei aber nicht auszuschließen, dass auch taktische, kleine Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten. Und: In der Ukraine selbst gebe es mehrere Atomkraftwerke, wenn diese getroffen würden, passiere so etwas wie Chernobyl, mahnt er. Die gesundheitlichen Folgen und das Leid seien nicht auszumalen.

Humanitäre Hilfe und Unterstützung zusichern

Als IPPNW unterstützten sie daher die frühere Politik von Altkanzlerin Angela Merkel und dem jetzigen Bundeskanzler Olaf Scholz. Wichtig sei es, der Ukraine humanitäre Hilfe und Unterstützung zuzusichern.

Für Gottstein könnte dies auch ein Weg sein, wie sich die Krise überwinden ließe, ohne dass Russlands Präsident Wladimir Putin im eigenen Land das Gesicht verliert – ein Punkt, den man nicht unterschätzen dürfe. Wenn der Westen, insbesondere die EU und die NATO der Ukraine garantieren würden, „wir helfen Euch in Notfällen“, gleichzeitig aber Russland einen Nichtangriffspakt anbieten würden, stünde vielleicht eine Tür für den Frieden offen.

„Wir müssen Putin nun weltweit ermahnen, mit dem kriegerischen Einsatz aufzuhören. Und ihn sicherlich auch mit Sanktionen bedrängen“, so Gottstein. Wobei er und auch die IPPNW Letzteres einschränken, denn unter den Sanktionen leide ebenfalls meist die Bevölkerung, nicht der Machthaber. „Wir wissen ja aus dem Irak – da gab es Jahrzehnte die schwersten Sanktionen –, dass die Bevölkerung fürchterlich gelitten hat, aber die Regierung kein bisschen.“

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Ärzteschaft spielt wichtige Rolle

Der Ärzteschaft kommt laut Gottstein in der aktuellen Situation eine wichtige Rolle zu. Nicht nur als Garantin für humanitäre Hilfe, sondern auch als Friedensbotschafterin.

Die IPPNW, die ursprünglich in den USA gegründet wurde und Friedensnobelorganisation ist, hat auch eine russische Sektion. „Die amerikanische IPPNW hat gemeinsam mit den russischen Ärzten eine Erklärung herausgegeben, in der sie an Russland appelliert, den militärischen Angriff zu stoppen“, berichtet Gottstein.

„Ärzte ohne Grenzen“: Kontakt zu Mitarbeitern verloren

Die ersten Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung sind bereits zu spüren: „Ärzte ohne Grenzen“ in Deutschland hat derzeit keinen Kontakt zu seinen Mitarbeitern im Osten der Ukraine.

„Ärzte ohne Grenzen ist seit Jahren in der Ukraine engagiert, unter anderem in Donezk und Luhansk, wo sich die Teams um die gesundheitliche und psychologische Versorgung von Menschen auf den Dörfern gekümmert haben, wo es sonst wenig Zugang zu medizinischer Versorgung gab“, teilte eine Sprecherin der Ärzte Zeitung mit.

Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach twitterte am Donnerstag: „Mir tun besonders die Kinder in der Ukraine leid, die in Angst und Panik einen solchen Terror erleben müssen. Der selbstgerechte narzisstische Auftritt von Putin grenzt für mich an das Pathologische. (reh/af/hom)

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