Kontroverse Debatte

Allgemeine Corona-Impfpflicht auch in der Ärzteschaft umstritten

Kann eine allgemeine Corona-Impfpflicht die Impfquote signifikant erhöhen? Und welche Hürden stehen der Sache im Weg? Ärztevertreter gelangen zu unterschiedlichen Einschätzungen.

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In der Frage einer allgemeinen Corona-Impfpflicht ist die Ärzteschaft uneins. Virchowbund-Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich sieht eine Einführung als Zeichen der sozialen Verantwortung.

In der Frage einer allgemeinen Corona-Impfpflicht ist die Ärzteschaft uneins. Virchowbund-Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich sieht eine Einführung als Zeichen der sozialen Verantwortung.

© Stephanie Pilick

Berlin. In der Ärzteschaft gibt es kontroverse Ansichten zu einer möglichen allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus. Der Virchowbund sprach sich am Freitag klar dafür aus.

„Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht dient dem individuellen Schutz, der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens und ist ein Zeichen der sozialen Verantwortung“, sagte der Virchowbund-Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich in Berlin. Dieses Zeichen habe insbesondere das medizinische Personal verdient, für das bereits eine berufsbezogene Impfpflicht gelte, so Heinrich.

Gassen: Keine relevante Erhöhung der Impfrate

Skeptisch zeigte sich hingegen der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen. Impfen sei zwar das wirksamste Instrument im Kampf gegen Corona.

„Trotzdem halte ich nicht viel von einer Impfpflicht, zumal ich glaube, dass wir dadurch letztlich keine relevante Erhöhung der Impfquote im Vergleich zu einer guten und intensiven Impfkampagne, flankiert von Maßnahmen wie 2G, erreichen werden“, sagte Gassen der „Rheinischen Post“ am Freitag. Zudem gebe es etliche organisatorische Hürden, um die Impfpflicht schnell einzuführen.

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Virchowbund-Chef Heinrich betonte, an Dingen wie etwa einem neu zu schaffenden Impfregister dürfe die Impfpflicht nicht scheitern. In Deutschland sei so gut wie alles in Registern erfasst. „Jeder kennt das örtliche Einwohnermelderegister, das Grundbuch-Register, das Handelsregister und viele andere bundesweite Verzeichnisse.“ Diese seien alle längst akzeptiert.

Ein Impfregister sei im Übrigen auch die beste Vorsorge für eine mögliche weitere Pandemie. Der Bundestag müsse daher schnell und entschlossen handeln. Die Aufhebung des Fraktionszwanges sei dabei allerdings nicht zielführend, sagte Heinrich.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine allgemeine Corona-Impfpflicht bis März angekündigt. Ob das entsprechende Gesetz beizeiten kommt, wird derzeit allerdings angezweifelt. Zunächst soll es Ende Januar eine Orientierungsdebatte dazu im Bundestag geben. Die Impfpflicht dürfte auch Gegenstand der Beratungen der Regierungschefs von Bund und Länder an diesem Freitagnachmittag sein.

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Union sieht Scholz in der Bringschuld

Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus rief unterdessen Kanzler Scholz dazu auf, einen nationalen Konsens in der Frage der Impfpflicht herzustellen. Die Regierungsfraktionen hätten noch keinen konstruktiven Vorschlag gemacht, wie die Sache konkret ausgestaltet werden solle, sagte Brinkhaus im ARD-Fernsehen.

FDP-Chef Christian Lindner betonte dagegen, es sei wichtig, das Thema Impfpflicht nicht entlang von Partei- oder Fraktionslinien, sondern im Bundestag „in einer offenen Debatte auf der Basis der individuellen Gewissensentscheidung“ zu treffen. „Ich halte das auch für einen Beitrag zur Versöhnung der Gesellschaft insgesamt“, sagte Lindner beim Dreikönigstreffen der Liberalen am Donnerstag.

Der Schutz der Gesundheit sei „ein hohes Gut, aber das höchste Gut unserer Verfassung, das ist und bleibt die Freiheit“, so der FDP-Chef. Für die Impfpflicht gilt dasselbe: „Sie ist ein empfindlicher Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen.“ (hom)

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