Arztinfosystem

Arznei ohne Zusatznutzen – aber wichtig für Versorgung

Bei der Konzeption des Arztinformationssystems zur frühen Nutzenbewertung will der Bundesausschuss besonderen Wert auf die Konstellation legen, in der Arzneien keinen Zusatznutzen haben. Denn auch sie seien für die Versorgung von Bedeutung.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

BERLIN. Die Originaldokumente des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur frühen Nutzenbewertung – Beschlusstexte und tragende Gründe – erreichen bislang meist nur Experten, Insider und Methodiker, aber kaum die verordnenden Ärzte. Insofern, so bedauert der Leiter der GBA-Abteilung Arzneimittel, Thomas Müller, haben die Bewertungsergebnisse wenig Einfluss auf die Versorgung. Das soll sich mit dem in die Praxissoftware eingebauten Arztinformationssystem ändern, kündigte Müller bei einem von Boehringer Ingelheim organisierten Symposion in Berlin an.

Der Bundesausschuss will bei der Konzeption auch Medienwissenschaftler beteiligen.

Arzneien ohne Zusatznutzen sollen besonderes Augenmerk finden.

Auch für Patienten kann die Information zugänglich sein.

Dabei will der vom Gesetzgeber beauftragte Bundesausschuss auch die Kompetenz von Kommunikations- wissenschaftlern nutzen, um für Ärzte und Patienten zugängliche Informationsformate zu schaffen.

Inhaltlich werde der Bundesausschuss besonderes Augenmerk auf Informationen über jene Arzneimittel und Patientenpopulationen richten, für die der GBA keinen Zusatznutzen als nachgewiesen angesehen habe. Denn das Urteil über den Innovationsgrad auf der Systemebene könne nicht eins-zu-eins auf die Versorgungsebene im Einzelfall übertragen werden, konzedierte Müller. In einer Konstellation ohne Zusatznutzen sei das betreffende Arzneimittel zwar nicht im Regelfall einsetzbar, wenn der Erstattungsbetrag über dem Preis der Vergleichstherapie liege – gleichwohl müsse ein solches Arzneimittel als Therapieoption oder -alternative zu Verfügung stehen. Dies setze eine verantwortliche Entscheidung des Arztes – auch unter Wirtschaftlichkeitsaspekten – voraus. Vor allem in den tragenden Gründen könne Ärzten eine Hilfestellung gegeben werden. Darüber hinaus müssten den Ärzten die Bedingungen für eine qualitätsgesicherte Anwendung bekannt sein: die geforderte ärztliche Qualifikation, Diagnostik und Dokumentation.

Wie ein solches Arztinfosystem aussehen könnte, macht die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) mit einer "Onkopedia" vor, die die Nutzenbewertung in Kurzfassung auf ihrer Website abbildet und durch Informationen wie aktuelle Leitlinien und Studien ergänzt (die "Ärzte Zeitung" berichtete). Ein solches Informationssystem sollte den komplexen Entscheidungsprozess des Arztes unter Einbeziehung aller Therapieoptionen und Diagnostik einbeziehen, fordert Professor Bernhard Wörmann von der DGHO.

Beispiele verdeutlichen, wie rasch Entscheidungen des GBA überholt sein können: Osimertinib, bewertet im September 2016 auf magerer Studienbasis mit dem Ergebnis "kein Zusatznutzen". Die Folge: ein Opt out des Herstellers. Im Dezember 2016: Vorlage einer Phase-III-Studie mit guten Ergebnissen – derzeit wird Osimertinib aus Italien importiert und mit Billigung des MDK auch von den Kassen bezahlt.

Jüngstes Beispiel: die Negativbewertung von Crizotinib bei Patienten mit ROS1-positivem, nichtkleinzelligem Lungenkarzinom, an dem 300 bis 400 Patienten pro Jahr erkranken. Am 16. März hatte der Bundesausschuss vor dem Hintergrund einer nicht befriedigenden Studienlage entschieden: "Zusatznutzen nicht belegt" – aber zugleich konzediert: "Für nicht vorbehandelte Patienten mit ROS1-positiven NSCLC kann eine Behandlung (...) mit Crizotinib eine relevante Therapieoption sein."

Das, so Professor Carsten Brokemeyer von der DGHO in einer Pressemitteilung von Dienstag, zeige das Dilemma des GBA, der Verständnis für den verordnenden Arzt habe, zugleich aber gefangen sei im Korsett der eigenen Regeln.

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