Ankündigung des Berufsverbands

Attest vor den Ferien: Pädiater wollen nicht mehr Kontroletti für Schulen sein

Kinder- und Jugendärzte wollen keine pauschal verlangten Atteste mehr kurz vor den Sommerferien ausstellen. Deren Berufsverbände fordern: Wenn der Staat kontrollieren will, soll er das selbst tun.

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Krankes Kind kurz vor dem ersehnten Urlaub? Niedergelassene Kinder- und Jugendärzte in Nordrhein und Westfalen-Lippe wollen keine pauschal verlangten Atteste für Schulen mehr ausstellen.

Krankes Kind kurz vor dem ersehnten Urlaub? Niedergelassene Kinder- und Jugendärzte in Nordrhein und Westfalen-Lippe wollen keine pauschal verlangten Atteste für Schulen mehr ausstellen.

© Boris Roessler/dpa

Bielefeld/Viersen. Kinder- und Jugendärzte in NRW wollen die vorgeschriebenen medizinischen Atteste für unmittelbar vor oder nach den Schulferien fehlende Schülerinnen und Schüler nicht mehr ausstellen. „Wir können und wollen nicht die Kontrolleure für die Schulen spielen“, betonte die Vorsitzende des Verbandes in Nordrhein, Christiane Thiele, am Montag. Zumal viele Praxen überlastet seien und man die jungen Patientinnen und Patienten nur „unter extremer Ausbeutung“ der eigenen Arbeitskraft bedarfsgerecht medizinisch versorgen könne.

Kinder, die kurz vor oder nach den Ferien in der Schule fehlen, müssen mit einem ärztlichen Attest nachweisen, „dass sie tatsächlich krank sind und nicht einfach eigenmächtig den Urlaub verlängert haben“, schilderte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Gut zwei Wochen vor Beginn der Schulferien kündigten die in Nordrhein und Westfalen-Lippe untergliederten BVKJ-Landesverbände für NRW an, solche pauschal verlangten Atteste zu reinen Kontrollzwecken nicht mehr auszustellen.

„Überwachung“ blockiert Ressourcen in den Praxen

Die „Überwachung“ von Patientinnen und Patienten und deren Eltern „zwecks Nachweis unerlaubten Schuleschwänzens“ sei keine ärztliche Aufgabe, blockiere hingegen die knappen Ressourcen in den Praxen. Der BVKJ plädierte für andere Wege. „Eltern sollten problemlos die Möglichkeit haben, auch rund um die Ferien selber Atteste für ihre Kinder zu schreiben, so wie es sonst im Schuljahr ja auch erlaubt ist“, mahnte Westfalen-Lippe-Landesverbandschef Marcus Heidemann. „Wenn der Staat die Eltern am eigenmächtigen Ausdehnen der Ferien hindern will, muss er dies selber bewerkstelligen.“

Der Staat zerstöre das Vertrauensverhältnis von Ärzten und Patienten, wenn er Mediziner zu „Überwachern“ mache, kritisierte Heidemann laut einer Mitteilung. Eltern sollten nicht aus Sorge vor einem Bußgeld gezwungen werden, ihre kranken Kinder in die Praxen zu schleppen, obwohl diese womöglich nur Bettruhe brauchten.

Die niedergelassenen Kinderärzte stellten zugleich klar, dass sie Schüler, die kurz vor oder nach den Ferien krank werden, auch weiterhin in ihren Praxen behandeln. „Allerdings stellen wir keine Atteste dafür aus“, sagte Thiele.

Der Sprecher des Landesverbands Nordrhein ergänzte, bei „individueller Begründung wie zum Beispiel Schulabsentismus stehen wir natürlich auch für Atteste zur Verfügung.“ Ein kurativer, medizinischer Ansatz sei aber bei der aktuellen Regelung rund um die Ferienzeiten nicht erkennbar – es bestehe hier kein ärztlicher Versorgungsauftrag, sagte er der dpa.

Das häufige Argument von Schulen und Schulministerium, nur mit einem Attest lasse sich klären, ob ein Schüler wirklich krank sei oder das nur vorgebe, läuft nach Einschätzung des Sprechers ohnehin an der Realität vorbei.

„Die haben alle Kopf- oder Bauchschmerzen, Übelkeit oder Durchfall“

Niemand wäre „so blöd, objektivierbare Krankheitssymptome zu schildern. Die haben alle Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und/oder Durchfall.“ Das könne man auch als Arzt nicht überprüfen, geschweige denn widerlegen. „Eine Arztpraxis ist hier also genauso (in)effektiv wie ein Schulsekretariat.“

Der Verbandssprecher meinte, wenn der Gesetzgeber „überwachen“ wolle, solle er das anders organisieren – etwa über den öffentlichen Gesundheitsdienst. Oder er solle Kontrollfunktionen an das Ordnungsamt delegieren. Der Berufsverband habe das Düsseldorfer Schulministerium und die Bezirksregierungen in der vergangenen Woche über die BVKJ-Haltung informiert und zur Lösungsfindung aufgefordert. (dpa)

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