Auf dem Land droht ein Pflegenotstand

Der Pflegereport 2009 der Gmünder Ersatzkasse (GEK) enthält aus Sicht der Ärzte gute und weniger gute Botschaften.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Fachärztin und Facharzt händeringend gesucht! In vielen Pflegeheimen steht es um die fachärztliche Versorgung nicht sonderlich gut.

Fachärztin und Facharzt händeringend gesucht! In vielen Pflegeheimen steht es um die fachärztliche Versorgung nicht sonderlich gut.

© Foto: klaro

BERLIN. Eine der guten Botschaft der Studie, die von dem Bremer Wissenschaftler Professor Heinz Rothgang im Auftrag der GEK erstellt worden ist, lautet: Die Deutschen leben nicht nur länger, sie altern auch gesünder. So ist das Risiko, im Alter auf Pflege angewiesen zu sein, zwischen 2000 und 2008 deutlich zurückgegangen. Bei den Männern betrug der Rückgang ein Prozent pro Jahr, bei den Frauen 3,4 Prozent. Für den gesamten Zeitraum von 2000 bis 2008 ergibt sich ein Rückgang des Pflegerisikos von etwa acht Prozent bei den Männern und 25 Prozent bei den Frauen.

Beleg für funktionierendes Medizinsystem

"Die Zahlen stützen die Kompressionsthese, die im Kern besagt, dass die gesunde Lebensphase eines Menschen länger dauert und sich die Krankheitsphase auf eine kurze Phase vor dem Tod komprimiert", kommentiert GEK-Chef Dr. Rolf-Ulrich Schlenker im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Die Entwicklung hin zu mehr gesunden statt kranken, pflegebedürftigen Menschen sei aber auch Beleg dafür, "dass wir in Deutschland ein gut funktionierendes Medizinsystem haben". Zwar nehme mit jedem weiteren Altersjahr das Pflegerisiko zu - bei den Männern um 14,3 Prozent und bei den Frauen um 15,3 Prozent. Zugleich zeige die Studie, dass durch Prävention - auch und gerade im Alter - Pflegebedürftigkeit aufgeschoben und in manchen Fällen sogar vermieden werden könne.

Manchen Ärzten mangele es dennoch an Sensibilität dafür, dass auch bei älteren Menschen mit Prävention noch viel bewegt werden kann. "Die Krankenkasse kann so oft sie will erzählen, wie gut und sinnvoll Bewegung im Alter ist. Aber wenn der Haus- oder Facharzt mit seiner natürlichen Autorität hingeht und seinem älteren Patienten empfiehlt, nach dem Frühstück einen Spaziergang zu machen, dann machen es die Leute wirklich", betont Schlenker.

Kritisch betrachten Schlenker und Rothgang die momentane fachärztliche Versorgung in den rund 11 000 Pflegeheimen. "Die hausärztliche Versorgung funktioniert ordentlich - das heißt, es finden regelmäßig Besuche statt", sagt Schlenker. Anders die fachärztliche Versorgung. "Hier mangelt es vor allem an Betreuung durch Augenärzte und Urologen."

Stadt-Land-Gefälle bei fachärztlicher Versorgung

Studienautor Rothgang macht derweil ein "Stadt-Land-Gefälle" in der fachärztlichen Versorgung aus. So seien etwa die Verordnungsraten von Psycholeptika und Antidepressiva im ländlichen Raum auffallend höher als in Städten. "Wir sehen darin ein Indiz für die Überforderung von Hausärzten und für eine fachärztliche Unterversorgung in ländlichen Gebieten."

Auch die Heimbetreiber sind wenig zufrieden mit der Situation. So berichtet Herbert Mauel, Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), der rund 6000 Heime und Pflegedienste vertritt, von sich häufenden Klagen aus Heimen, Fachärzte für eine regelmäßige Behandlung ihrer Bewohner zu finden. Defizite sieht Mauel vor allem im Bereich dementieller Erkrankungen. Gut zwei Drittel aller Heimbewohner seien davon betroffen. "Anders als erwartet, steht der vermutlich hohen Behandlungsnotwendigkeit aber nur eine relativ überschaubare Zahl an regelmäßigen Besuchen durch Psychiater gegenüber."

Lesen Sie dazu auch: Pflegekräfte sehen für sich Dauerkonjunktur Psychisch Kranke bleiben bei der Pflege weiter im Nachteil

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