Bayern

Aufgeklärte Patienten fordern weniger Antibiotika

ARena-Projekt will die Verschreibungsquote von Antibiotika in den teilnehmenden Arztpraxen senken.

Von Birgit Fenzel Veröffentlicht:

München. Antibiotika nach Möglichkeit vermeiden und dadurch die Bildung und Ausbreitung von resistenten Keimen verhindern – diesem Ziel ist die Initiative „Antibiotika-Resistenzentwicklung nachhaltig abwenden“ (ARena) ein Stück näher gekommen.

Zwei Jahre nach Gründung des ARena-Projekts ist die Verschreibungsquote von Antibiotika in den teilnehmenden Arztpraxen um gute acht Prozentpunkte auf rund 50 Prozent zurückgegangen. Wie bei der Vorstellung der Zwischenbilanz bei der KV Bayerns in München zu erfahren war, ist dieser Erfolg im Wesentlichen auf die bessere Aufklärung der Patienten zurückzuführen. „ARena“ ist ein Zusammenschluss mehrerer Partner aus dem Gesundheitswesen, darunter auch die KVB.

290 Ärzte nahmen teil

Am ARena-Projekt nehmen seit 2017 rund 290 Ärzte teil, die in 14 Ärztenetzen zusammengeschlossen sind. Zwölf der Ärztenetze arbeiten in Bayern und zwei in Nordrhein-Westfalen. Die teilnehmenden Ärzte waren angehalten, bei bestimmten Indexerkrankungen wie Atemwegserkrankungen, Ohrenschmerzen, Sinusitis, und unkomplizierten Harnwegsinfekten auf die Verordnung von Antibiotika möglichst zu verzichten.

Dabei wurden sie durch spezielle Weiterbildungsangebote unterstützt. Denn als häufige Ursachen für die Verordnung wurden die Erwartungen der Patienten, Zeitdruck sowie diagnostische Unsicherheit genannt. „Wir haben sehr gutes Feedback seitens der Teilnehmer in den Praxen erhalten“, sagt Joachim Szecsenyi, Geschäftsführer des aQua-Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen, das sich als wissenschaftlicher Partner an „ARena“ beteiligt. Sein Fazit: „Das, was wir an Unterstützung anbieten, hilft“.

Aufschlussreich waren auch die Rückmeldungen der Patienten, die im Rahmen der Projektevaluation befragte wurden. Die Befragungsergebnisse, die vom Göttinger aQua-Institut in einer Studie zusammengefasst und ausgewertet wurden, betonen die wichtige Rolle gut geführter Arzt-Patienten-Gespräche. Danach gaben 97 Prozent der befragten Patienten an, problemlos auf ein Antibiotikum zu verzichten, wenn der Arzt dies gut begründet hatte.

Nur 19 Prozent hatten Antibiotikum erhofft

Auch zeigt die Studie, dass Ärzte selbst mitunter den Wunsch ihrer Patienten bezüglich der Verordnung eines Antibiotikums überschätzen. Den Befragungsergebnissen zufolge wurden Antibiotika häufiger verordnet, als Patienten dies erhofft oder erfragt hatten.

Im Durchschnitt über alle Erkrankungen hätten nur 19 Prozent aller Patienten ein Antibiotikum erhofft. 60 Prozent seien ohne diese Erwartung zum Arzt gekommen. 21 Prozent hätten dazu keine Angabe gemacht.

Interessante Einsichten bietet die Studie auch darüber, welche Patienten eher nicht mit einem Antibiotikum rechnen: Überraschenderweise sind es jene, die mit einem grippalen Infekt oder einer Grippe in die Praxis kamen. Diese „hatten am seltensten ein Antibiotikum erhofft, erbeten und erhalten“, heißt es dort.

„Aus den Befragungsergebnissen kann gefolgert werden, dass Ärzte die Erwartung der Patienten bezüglich der Verordnung eines Antibiotikums nicht überschätzen sollten. Die Verordnungsentscheidung für oder gegen ein Antibiotikum sollte gut erläutert und mit dem Patienten besprochen werden“, so Szecsenyi.

Breite Infokampagne

Das breit angelegte Konzept setzt ganz auf zielgruppenspezifische Angebote. Dazu wurden in den 400 Praxen der teilnehmenden Ärzte in Bayern und NRW sowie in breiterer Öffentlichkeit Informationen über Antibiotika über verschiedene klassische und neue Medien präsentiert.

So wurden die Praxen mit Tablet-PC, Flyern und Plakaten ausgestattet, in denen Patienten rund um das Thema Antibiotika informiert wurden. Begleitend dazu gibt es Filme und Blogs im Internet und sozialen Medien. Damit sollen vor allem jüngere Menschen dazu angeregt werden, sich mit dem Thema Antibiotika und Resistenzen zu beschäftigen.

Diese Vorgehensweise geht offenbar auf. Insbesondere über die sozialen Netzwerke konnte eine beachtliche Reichweite erzielt werden. „Im Mai 2019 wurde die Schallmauer von einer Million Aufrufe durchbrochen“, so Dr. Veit Wambach von der Agentur deutscher Arztnetze.

Ein echter Überraschungserfolg sei ein Video, das in Zusammenarbeit mit dem Kanal JustKetchupAnimations entstanden ist und mittlerweile 260 000 Mal aufgerufen worden sei.

Auch die Website www.antibiotika-alternativen.de, die allgemeinverständlich aufbereitet viele Aspekte rund um Antibiotika darstellt, werde häufig besucht. Als Flop habe sich dagegen der Tablet-PC in der Arzt-Praxis herausgestellt. „Den hat kaum jemand angefasst.“

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