Polypharmazie

BARMER: Digitale Assistenz bei Arzneimitteltherapie rettet Leben

Mittels digitaler Erfassung und Auswertung von Arzneimittelverordnungen ließen sich laut BARMER jedes Jahr bis zu 70.000 Todesfälle vermeiden. Entsprechende Projekte seien daher rasch in die Regelversorgung zu überführen, wirbt die Kasse.

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Arzneimitteltherapie ist so komplex wie niemals zuvor, so die BARMER. Ohne digitale Hilfe könne der Hausarzt nicht den Überblick behalten.

Arzneimitteltherapie ist so komplex wie niemals zuvor, so die BARMER. Ohne digitale Hilfe könne der Hausarzt nicht den Überblick behalten.

© goodluz / stock.adobe.com

Berlin. Krankenkassen haben sich für die stärkere Nutzung digitaler Tools in der Arzneimitteltherapie ausgesprochen. „Insbesondere zur Kontrolle vermeidbarer Risiken ist digitale Unterstützung absolut notwendig“, sagte der Vorstandschef der BARMER, Professor Christoph Straub, bei der Vorstellung des neuen Arzneimittelreports der Kasse am Mittwoch.

Wie eine „intelligente“ Digitalisierung die Patientensicherheit erhöhen könne, zeige das Innovationsfondsprojekt AdAM, so Straub. Die BARMER habe das Angebot mit der KV Westfalen-Lippe von Juli 2017 bis Juni 2021 erprobt. Rund 940 Hausärzte hätten dabei mehr als 11.000 Patienten mit Polypharmazie betreut.

Dabei seien die Praxen – nach Einverständnis der Patienten – digital mit „vollständigen Informationen zur Vorgeschichte“ des jeweiligen Patienten ausgestattet gewesen. Die Informationen stammten aus Routinedaten der Kasse.

Bis zu 70.000 Todesfälle im Jahr vermeidbar

So habe der Arzt auch Kenntnis über Vorerkrankungen und Arzneimittel des Patienten gehabt, erläuterte Straub. Zusätzlich habe er Hinweise auf vermeidbare Risiken der Therapie wie Wechselwirkungen erhalten.

Die Evaluation des Projektes zeige, dass AdAM die Sterblichkeit der am Projekt teilnehmenden Patienten im Vergleich zur Routineversorgung um zehn bis 20 Prozent senke. Komme das Projekt flächendeckend zum Tragen, ließen sich jährlich 65.000 bis 70.000 Todesfälle bundesweit vermeiden, rechnete Straub vor.

Der Autor des Arzneimittelreports und Chefarzt am Klinikum Saarbrücken, Professor Daniel Grandt, wies darauf hin, dass Informationsdefizite bei der Arzneimitteltherapie auch Patienten gefährdeten, die ins Krankenhaus kämen. Dies gelte vor allem für jene, die als Notfälle aufgenommen würden.

„Ohne vollständige Kenntnis der aktuellen Medikation wird die Arzneimitteltherapie zu einem unkalkulierbaren Risiko“, warnte Grandt. Es sei ihm daher völlig unverständlich, „dass bisher nicht gewährleistet ist, dass notwendige Informationen sicher zur Verfügung stehen“.

Schutz vor riskanter Arzneitherapie bei Klinikaufnahme

Ein Hebel, um Informationsbrüche zu vermeiden, sei die enge Zusammenarbeit zwischen arztunterstützenden Krankenhausapothekern und behandelnden Ärzten, so Grandt.

Hier setze das Projekt TOP (Transsektorale Optimierung der Patientensicherheit) an, das ebenfalls über den Innovationsfonds beim G-BA gefördert werde und bei dem außer der BARMER auch die AOK Nordost mit an Bord sei. Klinikapotheker wie Ärzte erhielten im Rahmen von TOP Abrechnungsdaten und somit wichtige Informationen zur Gesundheitshistorie der Patienten bereitgestellt.

Mit dem Anfang Oktober gestarteten Projekt eRIKA (eRezept als Element interprofessioneller Versorgungspfade für kontinuierliche AMTS) ergänze die BARMER die beiden Projekte AdAM und TOP, sagte Vorstandschef Straub. eRIKA nutze das elektronische Rezept und die bei der Abgabe von Arzneimitteln in der Apotheke entstehenden Daten für eine elektronische Dokumentation der Arzneimitteltherapie.

Grandt: Vollständiger Medikationsplan entscheidend

In einem Punkt seien sich alle drei Projekte ähnlich, betonte Studienautor Grandt: „Jeder Patient, dem ein Arzneimittel verordnet wird, hat immer einen aktuellen und vollständigen Medikationsplan, und das ohne Zusatzaufwand für Ärzte, Apotheker oder Patienten.“

Gegenstand des neuen Barmer-Reports ist die Arzneimitteltherapie von Versicherten der Kasse ab 40 für einen Zeitraum von zehn Jahren. Laut Studie erhalten Versicherte im Schnitt 37 Diagnosen innerhalb einer Lebensdekade (siehe nachfolgende Grafik) – und besuchen in dieser Zeitspanne rund 21 Arztpraxen. Die Patienten bekommen etwa 20 Wirkstoffe verordnet, bei Menschen ab 80 Jahren sind es eineinhalbmal so viele. (hom)

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