Pflege

BSG weist Sozialamt in die Schranken

Wie rund um die Uhr Pflegebedürftige ihre Pflege organisieren, können sie selbst bestimmen - hier hat das Sozialamt nicht hineinzureden, sagt das BSG.

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Das Urteil stärkt die Selbstständigkeit pflegedürftiger Menschen.

Das Urteil stärkt die Selbstständigkeit pflegedürftiger Menschen.

© Junial Enterprises / shutterstock

KASSEL. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat die Rechte und Selbstständigkeit pflegebedürftiger Menschen gestärkt, die sich ihre Betreuung selbst organisieren.

Wie der BSG-Sozialhilfesenat in seiner jüngsten Sitzung entschied, muss die Sozialhilfe gegebenenfalls auch ein "Assistenzzimmer" für Pflegekräfte bezahlen.

Das sogenannte Arbeitgebermodell sei gesetzlich besonders privilegiert, betonten die obersten Sozialrichter. Ein Raum, in dem sich Assistenzkräfte aufhalten und ausruhen können, gehöre daher zur "Hilfe zur Pflege".

Damit gab das BSG einem heute 40-jährigen dauerhaft pflegebedürftigen Patienten Recht. Er ist an einer Duchenneschen Muskeldystrophie erkrankt und leidet an beatmungspflichtiger respiratorischer Insuffizienz und Herzinsuffizienz.

Behörde lehnte Antrag ab

Der Mann wohnt in einer 63 Quadratmeter großen Zweizimmerwohnung in Bonn. Ein Zimmer nutzt er selbst, das andere steht den von ihm selbst angestellten Assistenzkräften zur Verfügung.

Diese betreuen ihn in Schichten von jeweils 24 Stunden rund um die Uhr. Die Assistenz- und Pflegekräfte lösen sich in diesem Modell also tageweise ab.

Soweit die Leistungen der Kranken- und Pflegekasse nicht ausreichen, muss das zuständige Sozialamt die Lohnkosten für die Assistenzkräfte übernehmen.

Den Antrag, auch die anteiligen Kosten des Assistenzzimmers zu bezahlen, lehnte die Behörde aber ab.

Dies seien keine unmittelbaren Pflegekosten. Zudem müsse der Mann nur die Schichten in Blöcke zu je acht Stunden aufteilen; dann könnten sich die Pflegekräfte so lange auch in der Küche aufhalten.

"Grundsätzlich dem zu Pflegenden überlassen"

Das BSG wies diese Auffassung des Bonner Sozialamtes nun ab. Im Rahmen des Arbeitgebermodells seien der Hilfe zur Pflege alle Ausgaben zuzurechnen, bei denen eine "notwendige Verknüpfung" zur Pflege besteht. Das treffe auf das Assistenzzimmer zu.

Es sei zudem nicht Aufgabe der Sozialbehörden, den Betroffenen vorzuschreiben, wie sie ihre Pflege besser organisieren können. Dies bleibe "grundsätzlich dem zu Pflegenden überlassen".

Zudem stellte das BSG klar, dass bei der Anrechnung von Einkünften nicht die Vorschriften des Zweiten Sozialgesetzbuchs (Hartz IV) gelten, sondern die deutlich günstigeren Vorschriften des Zwölften Sozialgesetzbuchs (Sozialhilfe). (mwo)

Az: B 8 SO 1/12 R

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