Morbi-RSA

Bayern hofft auf Faktor Regionalität bei Kassen-Finanzausgleich

Schutz vor Upcoding, Regional-Faktor, Medikamenten-Komponente – über diese Stellschrauben wollen Experten aus Wirtschaft, Kassen und Politik den Morbi-RSA verbessern.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Die AOK im Visier: Mitbewerber beklagen, die Ortskrankenkassen bekämen ungleich mehr Geld aus dem Morbi-RSA.

Die AOK im Visier: Mitbewerber beklagen, die Ortskrankenkassen bekämen ungleich mehr Geld aus dem Morbi-RSA.

© Robert Schlesinger / dpa

MÜNCHEN. Falsch verteilt, falsch codiert oder regional ungleich – über den Morbi-RSA lässt sich trefflich diskutieren. Das taten Experten jüngst bei einem Fachtag der Barmer und des Vereins Health Care Bayern im Bayerischen Landtag. Das Konstrukt Morbi-RSA, das vielen wegen der komplexen Verteilungsmechanismen wie eine undurchsichtige Black Box erscheint, erachten sie in der jetzigen Form als nicht zufriedenstellend.

Seit langem beklagen etliche Kassen Ungleichverteilung. Als Profiteur des derzeitigen Systems wird vor allem die AOK gesehen. Andere Kassen erhalten pro Patient weniger aus de Gesundheitsfonds – und kritisieren das. Inzwischen addiere sich der Differenzbetrag zwischen den Kassen auf zwei bis 2,5 Milliarden Euro.

Vom Bundesversicherungsamt bekamen die Kassen es erst vor Kurzem in einem Bericht auf die Mütze – die Kassenaufsicht kritisierte Rightcoding und Selektivverträge. Mehr kodiert, mehr verdient, das sei oft die Devise.

Professor Volker Ulrich, Volkswirtschaftler an der Universität Bayreuth, arbeitet im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesversicherungsamtes zur Weiterentwicklung des RSA mit. Er rät zur Änderung der Verteilungsmechanismen. Vorschläge dazu hat der Beirat im vergangenen Herbst in einem Gutachten vorgelegt.

350 statt 80 Diagnosen

Statt derzeit 80 sollten alle Diagnosen berücksichtigt werden, also etwa 350. Zusätzlich sollten zudem, anders als bisher, Arzneikosten einbezogen werden. Das ermögliche genauere Zuweisungen. Zudem sei die Hürde, eine falsche Diagnose und ein falsches Medikament einzutragen, höher, als "nur" eine falsche Diagnose zu kodieren. "Das ist ein zentraler Vorschlag in unserem Gutachten", betonte der Ökonom. Der Morbi-RSA müsse Anreize setzen, richtig zu kodieren.

Rahmenbedingungen beeinflussten die Verteilung ebenfalls, und auch dort gebe es Änderungsbedarf. So seien Aufsichtspraxis und Auffälligkeitsprüfungen intransparent und würden regional auch unterschiedlich gehandhabt. Das müsse sich ändern.

Zudem seien ambulante Kodierrichtlinien sinnvoll. Davon, und von der Upcoding-Diskussion, zeigte sich Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Ärztekammer, wenig begeistert. Upcoding sei in den Praxen kein Thema, das Misstrauen gegenüber Ärzten unbegründet. "Wir machen die Patienten nicht kränker, als sie sind", betonte Quitterer.

Die bayerische Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml (CSU) kritisierte die Ungleichverteilung der Finanzmittel zwischen den Bundesländern. So sei die derzeitige Versorgung in Bayern langfristig nur dann finanzierbar, wenn sich die Systematik ändere. "Wenn über den Morbi-RSA Geld aus Bayern abfließt und wir in eine Unterdeckung kommen, dann können wir das alles nicht mehr aufrechterhalten", sagte Huml.

Der Fonds müsse, anders als bisher, regionale Unterschiede bei Kosten und Strukturen berücksichtigen. Daher erwarteten gesundheitspolitische Akteure in Bayern mit Spannung das Gutachten zum Faktor Regionalität im Morbi-RSA, das Bayern selbst forciert hat, mit großem Interesse.

Erste Ergebnisse kommen

In Kürze solle es dazu zumindest eine erste Zusammenfassung geben, kündigte Ulrich an, der am Gutachten mitarbeitet. "Das ist kein bayerisches Problem", sagte er zum Aspekt der regionalen Verteilung. Einer aktuellen Auswertung zufolge gehe es um Verdichtung. So seien bundesweit städtische Umgebungen und hochverdichtete ländliche Regionen im Finanzausgleich benachteiligt.

Während sie in Unterdeckung gerieten, erhielten andere Regionen mehr Geld als benötigt. Ein Regionalfaktor für den Morbi-RSA sei daher zu befürworten.

Entsprechende Daten zeigten, dass es beispielsweise auch innerhalb Bayerns regionale Unterschiede gebe. "Es lassen sich Unter- und Überdeckungen von etwa minus 200 Euro bis plus 300 Euro pro Jahr und Versichertem beobachten", sagte der Barmer-Vorstandsvorsitzende Professor Christoph Straub. Das könnten Kassen nicht durch Management, Zusatzverträge oder Beitragszuschläge ausgleichen. Gebe es keinen Ausgleich, zögen Kassen womöglich aus bestimmten Regionen ab.

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