Beim Gesundheitstourismus ist Nordhessen keine Randgröße mehr

Als Bundesforschungsministerin Annette Schavan Anfang Juni die Preisträger der ersten Runde im bundesweiten Regionen-Wettbewerb bekannt gab, staunten nicht wenige: Nicht die Initiative Gesundheitswirtschaft Rhein-Main e.V. mit dem umtriebigen Florian Gerster an der Spitze stand auf dem Siegertreppchen, sondern die Gesundheitsregion Nordhessen. 50 000 Beschäftigte erwirtschaften dort einen Umsatz von fünf Milliarden Euro. Die "Ärzte Zeitung" stellt sechs der 20 ausgewählten Regionen in einer Serie vor.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:

Nordhessen stand lange Zeit im Schatten der großen Metropolen im Süden des Landes. Wirtschaft und Politik bezogen ihre Quartiere in Frankfurt und Wiesbaden, nicht in Kassel oder Melsungen. Mit der Wiedervereinigung änderte sich die Situation. Plötzlich rückte Nordhessen in die Mitte Deutschlands. Seither präsentiert sich die Region als Alternative zu den Top-Wirtschaftsregionen im Bundesland.

"Die zentrale Lage macht Nordhessen zur Drehscheibe für den Bahn- und Straßenverkehr", sagt Holger Schach, Geschäftsführer der Nordhessen Regionalmanagement GmbH. Die Gesellschaft wurde im Frühjahr 2002 in Kassel gegründet, um Nordhessen als Wirtschaftsregion weiterzuentwickeln und national wie international zu vermarkten.

Zentrale Lage und landschaftlich attraktiv

Regionalmanager Schach setzt dabei vor allem auf die Kombination aus Tourismus und Gesundheit. "Der Gesundheitstourismus", sagt der Manager, "soll eines unserer Aushängeschilder werden." Helfen soll die zentrale Lage der Region. Mit den Nord-Süd-Autobahnen A 5 und A 7, dem ICE-Bahnhof in Kassel-Wilhelmshöhe, wo täglich mehr als 250 An- und Abfahrten gezählt werden, und dem Flughafen Kassel-Calden, der bis 2010 zu einem internationalen Airport ausgebaut werden soll, verfügt Nordhessen über ausgezeichnete Verkehrsanbindungen.

Hinzu gesellt sich - als weiteres Plus - die Attraktivität der Region. "Die waldreiche, von Flusstälern geprägte Mittelgebirgslandschaft mit ihren vielen Naturparks macht Nordhessen zu einer beliebten Erholungslandschaft - verbunden mit einer hohen Attraktivität für Tourismus und medizinische Rehabilitation", sagt Schach. Schon heute verzeichnet die Region jedes Jahr rund 6,3 Millionen Übernachtungen. Und in den Reha-Kliniken und Heilbädern in Bad Wildungen, Bad Soden Allendorf, Bad Arolsen und anderswo suchen jedes Jahr mehrere Tausend Patienten aus dem In- und Ausland nach Genesung und Regeneration.

Die "Kasseler Gesundheitstage" verbinden die Themen Gesundheit, Medizin und Prävention.

Die "Kasseler Gesundheitstage" verbinden die Themen Gesundheit, Medizin und Prävention.

© Foto: Kasseler Gesundheitstage

Wichtig ist den Akteuren vor Ort, dass ihre Angebote - vor allem im Bereich des "Medical Wellness" - auf seriöser Grundlage stehen. Hotelfachleute und Wellnessexperten erarbeiten daher gemeinsam mit Medizinern Qualitätskriterien für entsprechende Produkte und Dienstleistungen.

Konsequent nutzen Ärzte, Krankenkassen und andere Gesundheitsdienstleister die neuen Möglichkeiten der veränderten Gesetzeslage im Gesundheitswesen.

Seit 2004 sind in Nordhessen 23 Medizinische Versorgungszentren (MVZ) entstanden - darunter die vieldiskutierte Medikum GmbH in Kassel, unter deren Dach zehn Haus- und Fachärzte Versicherte der Ersatzkassen versorgen.

Daneben konnten in der Region viele Verträge zur integrierten Versorgung geschlossen werden - so auch ein Vertrag zur "Sicherstellung der Gesundheitslandschaft Werra-Meißner". "Dieser Vertrag bietet die Chance, die medizinische Versorgung von älteren und mehrfach erkrankten Menschen in einem ländlichen Raum mit nur geringer Infrastruktur zu verbessern", sagt Dr. Withold Kietzmann, Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft DOXS. Dort haben sich 820 Ärzte und Psychotherapeuten zusammengeschlossen.

Klare Arbeitsteilung trägt zum Erfolg bei

Der IV-Vertrag sieht unter anderem vor, dass medizinische Fachangestellte den Arzt in der Patientenbetreuung unterstützen und bestimmte Tätigkeiten wie Verbandswechsel oder Blutdruckkontrolle übernehmen. "Dadurch erhöhen wir die Behandlungsdichte erheblich", sagt Kietzmann. Nun soll das Modell auf andere Landkreise in der Region übertragen werden.

Für Kietzmann, Allgemeinarzt in Fuldabrück, steht fest: Erfolgreich ist die Gesundheitsregion Nordhessen vor allem, weil es eine funktionierende Arbeitsteilung gibt: hier die Regionalmanagement GmbH, die den Gesundheits- und Wirtschaftsstandort Nordhessen vermarktet, dort die DOXS, die die Gesundheitsversorgung durch interdisziplinäre Vernetzung verbessern will.

BMBF-Wettbewerb

Im Juni ist Nordhessen als einer von 20 Gewinnern der ersten Runde des Wettbewerbs "Gesundheitsregionen der Zukunft" ausgezeichnet worden. Ziel des vom Bundesforschungsministeriums (BMBF) ausgeschriebenen Wettbewerbs ist es, Verantwortliche aus medizinischer Forschung, Entwicklung und Gesundheitsversorgung einer Region zusammenzubringen. Der Wettbewerb ist mit 40 Millionen Euro ausgestattet. Die ausgewählten Regionen erhalten 100 000 Euro, um ihre Konzept auszuarbeiten. 2009 werden dann fünf Regionen ausgewählt, die über vier Jahre unterstützt werden.

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