Konferenz von EU-Gesundheitspolitikern

Bilanz der Corona-Pandemie: Mehr Kooperation und Solidarität nötig

Wo muss die EU in der Bekämpfung der Pandemie besser werden? Bei einer Konferenz von Gesundheitspolitikern aus Bundestag und EU-Parlament wird der Ruf nach mehr Abstimmung und Koordination laut.

Von Detlef Drewes Veröffentlicht:
Europaflaggen vor der Europäischen Kommission in Brüssel.

Unter einer Flagge? Insbesondere zur Beginn der Pandemie reagierten die Mitgliedsstaaten nicht solidarisch.

© © Daniel Kalker / dpa / picturealliance

Brüssel. Das Coronavirus hat das Selbstbewusstsein Europas erschüttert. Es ist diese Erkenntnis, die am Montag immer wieder deutlich wurde, als im Deutschen Bundestag die Vorsitzenden für Gesundheit, Forschung und digitale Angelegenheiten aus den nationalen Parlamenten der EU und des Europäischen Parlamentes virtuell an einem Tisch saßen.

„Wir sind alle verwundbar geworden“, eröffnete Sandra Gallina, stellvertretende Direktorin der EU-Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Brüsseler Kommission, die Debatte. Und niemand sparte mit der bitteren Selbsterkenntnis, dass die Gemeinschaft am Anfang der Pandemie nicht ihre Stärke in Form von Solidarität demonstrieren konnte.

„Wir brauchen den Blick über die Grenzen“

Denn die Mitgliedstaaten agierten zunächst nach dem Motto: Jeder ist sich selbst der Nächste. „Und trotzdem haben alle einander geholfen“, betonte Gallina. „Wir brauchen den Blick über die Grenzen“, ergänzte der gesundheitspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP im europäischen Abgeordnetenhaus, Peter Liese. Und dieser Blick zeige: „Die Mitgliedstaaten verzeichnen eine höchst unterschiedliche Entwicklung“, so Andrea Ammon, Direktorin des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Allein die Testpraxis mache die Differenzen klar. Die einen Mitgliedstaaten schafften gerade mal 318 Tests pro 100.000 Einwohner, andere dagegen bis zu 6000.

Hat Europa wirklich gelernt? Zehn Tage Quarantäne in einem Land, im anderen sind 14 Tage. In einem Staat müssen Tests vor der Einreise vorliegen, im anderen danach. Die Einwohner des Hotspots Brüssel dürfen Paris nicht besuchen, den Parisern sind Besuche der belgischen Hauptstadt gestattet – sogar ohne Test bei der Rückkehr.

Gesundheitsminister haben sich nur auf Empfehlungen verständigt

Zwar hatten sich die EU-Gesundheitsminister noch am vergangenen Freitag auf eine Vereinheitlichung verständigt. Doch das sind Empfehlungen. Es macht weiter jeder, was er will. Dabei appellierte Ammon: „Wir müssen besser werden bei der Überwachung, bei der Digitalisierung, bei der Vorbereitung auf regionaler Ebene und bei den Maßnahmen zum Schutz vor neuen Wellen und Viren.“

Große Fortschritte sehen die Experten in der Forschung. So würden mutmaßlich Impfstoffe Anfang des kommenden Jahres vorliegen. In anderen Punkten gab es Kritik: „Wir Wissenschaftler leiden oft unter der europäischen Verwaltung“, sagte der Direktor des Instituts für Virologie der Berliner Charité, Christian Drosten. Das Beantragen von Forschungsgeldern sei oft zu kompliziert, um dringend notwendige Mittel zu bekommen. Und er appellierte, dass die Wissenschaft sich bemühen müsse, ihre Arbeit der Öffentlichkeit verständlicher zu machen.

Drosten plädiert für globale Verantwortung der Wissenschaft

„Die Wissenschaftskommunikation ist der einzige Weg der unabhängigen Information“, betonte er. Die Menschen müssten auch verstehen, dass Forschung die Politik nur beraten könne, nicht aber die politische Verantwortung trage. Gleichzeitig sprach sich Drosten für mehr solidarische Politik aus, um die globale Verantwortung der Wissenschaft und der europäischen Politik aufzugreifen: „Wir sollten Förderprogramme in Form von Stipendien für Wissenschaftler aus Afrika und Lateinamerika ausgeben“, forderte er.

Drosten hinterließ mit seinem Abschlussstatement Ernüchterung: „Es gibt keinen Hinweis darauf, dass das Virus sich abschwächt oder Veränderungen unterliegt.“ Mit anderen Worten: Nicht nur Europa, sondern die ganze Welt muss lernen, mit dem Virus und potenziellen Nachfolgern zu leben. Und wie am Anfang der Pandemie gehe es darum, die Wissenschaft zu stärken und die Strukturen der nationalen, regionalen und europäischen Gesundheitsapparate auszubauen. Denn auch darin waren sich alle Experten einig: „Die Gefahr ist noch längst nicht gebannt.“

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Programm verlängert

HPV-Impfung: Kehrtwende in Österreich

Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung

Symposium der Paul-Martini-Stiftung

COVID-19 akut: Früher Therapiestart effektiv

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Typ 1 und Typ 2 im Vergleich

Lange Diabetesdauer erhöht wohl kardiovaskuläres Risiko deutlich

Review mit Metaanalyse

Invasive Pneumokokken-Infektionen: Wer besonders gefährdet ist

Kardiale autonome diabetische Neuropathie

Das neuropathische Herz – ein Risiko

Lesetipps
Eine Hand fängt 500-Euro-Geldscheine auf, die durch die Luft wirbeln.

© vegefox.com / stock.adobe.com

Vermögensforscher im Interview

Welche Eigenschaften helfen, reich zu werden

Ein Mann mit einer Zigarette in der Hand deren Zigarettenrauch sich verbreitet.

© methaphum / stock.adobe.com

Verbesserte Prognose

Forscher fordern: Rauchstopp systematisch in Krebstherapie integrieren