Zwei Kassen monieren

Bürokraten bremsen IV-Verträge aus

Das Bundesversicherungsamt verhindere häufig eine zügige Einführung von integrierten Versorgungsverträgen, beklagen Barmer GEK und Techniker Krankenkasse. Die Aufsicht weist die Schelte zurück - und erhält Rückendeckung vom DAK-Chef.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Verträge unter der Lupe: Mancher Kasse ist die Prüfung zu detailliert oder sie dauert ihr zu lange.

Verträge unter der Lupe: Mancher Kasse ist die Prüfung zu detailliert oder sie dauert ihr zu lange.

© Schwenk / Foltolia.com

KIEL. Die bürokratischen Hürden für IV-Verträge sind nach Beobachtung von Kassenvertretern zu hoch. Das Bundesversicherungsamt (BVA) stellt nach Meinung von Ersatzkassen zu große Hürden auf.

"Die wesentlichen Hürden für die integrierte Versorgung liegen im formal-rechtlichen Bereich. Da kommen Beamte aus Bonn und erzählen uns, wie wir das in Schleswig-Holstein zu machen haben", kritisierte etwa Schleswig-Holsteins Barmer GEK-Chef Thomas Wortmann auf dem Kieler Kongress Vernetzte Gesundheit.

Dr. Andreas Meusch, Leiter der Landesvertretungen bei der Techniker Krankenkasse (TK), fand ebenfalls deutliche Worte: "Das BVA macht uns das Leben schwer."

Nach seiner Ansicht wird bei der IV zu sehr auf kurzfristige Wirtschaftlichkeit und Formalitäten geachtet.

Bei der Barmer GEK wurden nach Angaben Wortmanns von rund 70 eingereichten IV-Verträgen nur fünf ohne Beanstandungen genehmigt.

Die Nachbearbeitung der Beanstandungen nehme bis zu zwei Jahren in Anspruch. "Dann gibt es längst neue Innovationen, die in einen IV-Vertrag eingearbeitet werden müssen", so Wortmann.

Die DAK hat andere Erfahrungen gemacht. DAK-Chef Professor Herbert Rebscher sagte der "Ärzte Zeitung", das BVA habe viele IV-Verträge konstruktiv begleitet, aber keine sinnvollen Verträge verhindert.

Viele Einwände des BVA seien berechtigt. Seine Kasse hat in zehn Jahren rund 300 IV-Verträge vereinbart und durch das BVA genehmigt bekommen. Rebscher rät zu einer frühen Einbindung der Aufsicht, zu Kommunikation und Evaluation.

Sind unterschiedliche Kassen beteiligt, wird es schwer

Rebscher bestätigte aber einen weiteren Kritikpunkt, der in Kiel geäußert wurde: bei kassenartenübergreifenden Verträgen müssen Verträge unterschiedlichen Aufsichten vorgelegt werden. Folge: Die Landesaufsichten genehmigten zum Teil Verträge, die das BVA beanstandet. Hier wurde auf eine einheitliche Linie gedrängt.

Dem BVA ist die Kritik bekannt, es hält sie aber nicht für berechtigt. Nach Angaben des Amtes wurden im vergangenen Jahr 776 IV-Verträge eingereicht. Insgesamt wurden acht Verträge beanstandet.

"In etwa 80 Anzeigeverfahren begleitet das BVA die Anpassung einzelner Vertragsregelungen im aufsichtsrechtlichen Dialog", teilte das Amt auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" mit.

Gründe für Beanstandungen sind unter anderem unzulässige Teilnahmebeschränkungen, Beteiligung nicht zugelassener Leistungserbringer, Verstöße gegen den Datenschutz und fehlender integrativer Ansatz.

Rebscher kann sich vorstellen, dass Kassen auch ohne die formale Betrachtung der kurzfristigen Wirtschaftlichkeit kein Geld durch IV-Verträge verschwenden würden. "Es würde reichen, wenn Verträge nach einer Laufzeit von drei Jahren evaluiert und kommuniziert werden.

Keine Kasse würde sich die Blöße geben, mit einem schlechten Vertrag in der Öffentlichkeit als Verschwender dazustehen", sagte Rebscher.

Auch Meusch und Wortmann würden es begrüßen, wenn die Vorlagepflicht vor dem Start eines IV-Vertrages entfiele. Nach Angaben der Kassenvertreter laufen derzeit Gespräche auf Bundesebene mit der Politik, um die formalen Hürden bei der IV abzubauen.

Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Integrierte Versorgung ein Stück weit zu entfesseln. Union und SPD haben vereinbart, dass die Kassen den Nachweis der Wirtschaftlichkeit eines Vertrages erst nach vier Jahren zu erbringen haben.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Bürokratische Fesseln lockern

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert