Hintergrund

Chaos in Apotheken: Rätselraten um Packungsgrößen N1, N2, N3

Ein Patient bekommt zusätzlich zu einem NSAR (N1) als Magenschutz Omeprazol 40 (N1) verordnet. Ein einfacher Fall für den Apotheker? Nicht mehr seit Jahresbeginn. Denn er muss zwischen Packungsgrößenverordnung, Rabattverträgen und ärztlichem Therapieziel abwägen. Das Chaos ist vorprogrammiert.

Ruth NeyVon Ruth Ney Veröffentlicht:
Welche Packungsgröße muss es nun sein? Seit Jahresanfang stehen die Apothekenmitarbeiter öfter vor diesem Rätsel.

Welche Packungsgröße muss es nun sein? Seit Jahresanfang stehen die Apothekenmitarbeiter öfter vor diesem Rätsel.

© Margit Brettmann / imago

Sucht ein Apotheker derzeit in seiner EDV nach Omeprazol 40 N1 werden ihm Magenmittel mit 7, 14, 15 oder 22 Tabletten aufgelistet.

Abgeben darf er aber nach den im Rahmen des AMNOG zum 1. Januar in Kraft getretenen Vorgaben zu den Packungsgrößen nur noch die 22er-Packung.

Wollte der Arzt mit seiner Verordnung wirklich diese Menge? Ähnliche Probleme gibt es bei Antibiotika und Blutdruckmitteln. Häufige Rückfragen bei Ärzten und Wartezeiten für Patienten sind die Folge.

Nun war das mit den Größen N1, N2 und N3 ohnehin schon nicht ganz einfach. Denn in der Packungsgrößenordnung von 2004 wurden je nach Wirkstoffgruppe dafür bekanntlich unterschiedliche (Höchst-)Mengen festgelegt.

Bei festen oralen Magen-Darm-Mitteln galt für N1 zum Beispiel eine Menge von bis zu 20 Stück, bei Hypnotika sind es bei N1 10 Stück, bei Antibiotika 14.

Jetzt gibt es für diese Mengenangaben Spannbreiten. Die Idee: mehr Flexibilität, sodass ein Aut-idem-Austausch von Präparaten trotz unterschiedlicher Stückzahl - etwa 100 gegen 98 Stück - erleichtert wird. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail.

So haben viele Hersteller bisher Präparate mit einer N-Normierung im Markt gehabt, deren Inhalt - erlaubterweise - unter den definierten N-Mengen lag.

Bei Omeprazol etwa gab es viele N1-Präparate mit nur 7, 14 oder 15 Kapseln. Die neue Regelung toleriert nun zwar eine Spanne von +/- 20 Prozent bei N1, das sind bei der Kennzahl 20 für Magen-Darm-Mittel 16 bis 24 Stück.

Aber aus dieser Spanne fallen die meisten Präparate heraus. Sie dürften bei einer gesetzeskonformen Belieferung eines Rezeptes, auf dem nur N1 steht, nicht abgegeben werden.

Und so steht es im Gesetz

AMNOG Artikel 9a:




Hinzu kommt: Alle Hersteller, deren Präparate aufgrund zu großer/zu kleiner Stückzahlen nicht mehr in die Spanne einer N-Normierung fallen, müssen dies bei der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten (ifa) anzeigen.

Dem sind bisher allerdings etliche fehlerhaft oder gar nicht nachgekommen. Die Folge: Die Apothekensoftware - gleich welchen Anbieters -, die auf die ifa-Daten aufbaut, übernimmt die Fehlinfos. Das erschwert die verlässliche EDV-Suche nach passenden beziehungsweise austauschbaren Präparaten.

Kritisch ist das vor allem, wenn es um Rabattpräparate geht, denn dann drohen bei Fehlern Nullretaxationen - das heißt, es gibt für den Apotheker kein Geld von den Kassen.

Nach Informationen eines Softwareherstellers wird es womöglich bis März dauern, bis die N-Größen überarbeitet sind und die Software mit überwiegend korrekten Daten arbeitet.

Das Bundesgesundheitsministerium hat inzwischen bekräftigt, dass der Verlust eines N-Kennzeichens gemeldet werden muss. Gleichwohl bleiben Präparate ohne N-Normierung verordnungs- und erstattungsfähig.

Unklar bleibt aber immer noch, wie mit Problemfällen umzugehen ist, etwa wenn ein Rabattprodukt nicht mehr der N-Normierung entspricht. Denn dann kontert die neue Substitutionsregel die Rabattverträge aus.

Die Ansicht von Dr. Christopher Hermann von der AOK Baden-Württemberg, dass Rabattverträge zu bedienen seien, egal, mit welcher N-Kennzeichnung die Präparate in der Software hinterlegt seien, wird zwar von den wenigsten geteilt.

Eine verbindliche Regelung gibt es jedoch derzeit nicht. Sie ist ein Diskussionspunkt in den laufenden Gesprächen zwischen Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband.

Bis zu einer Klärung haben derweil die Apothekenverbände und Softwareanbieter für ihre Mitglieder Empfehlungen erarbeitet, wie Rezepte am besten zu beliefern sind.

Nach den Empfehlungen des Hessischen Apothekerverbands soll bei Verordnung nur mit N-Bezeichnung ein Präparat nur innerhalb der neuen N-Spanne abgegeben werden.

Steht auf dem Rezept auch eine Stückzahl - mit oder ohne N-Bezeichnung - sollte sich das Vorgehen danach richten, ob sich die verordnete Stückzahl in der N-Spannweite befindet.

Wenn ja, kann ein Präparat innerhalb dieser N-Gruppe gewählt und eventuell ausgetauscht werden. Wenn nein, dann ist die konkrete Stückzahl maßgeblich für die Abgabe.

Fazit für die Praxis: Soll ein Patient ein Präparat in einer Menge außerhalb der N-Spannen bekommen, muss die Stückzahl explizit mit auf das Rezept.

Für Juli 2013 hat das AMNOG bereits die nächste Änderung fixiert. Dann wird das Packungsgrößenkennzeichen N entsprechend der Reichdauer, also der typischen Behandlungsdauer, vergeben, für die die Arzneimittel indiziert sind.

Danach sollen dann Packungen mit N1 gekennzeichnet werden, die für die Akuttherapie und Einstellung 10 Tage reichen. N2 soll einer Dauertherapie über 30 Tage vorbehalten sein und N3 soll bei gut eingestellter Dauertherpie über 100 Tage reichen.

Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie rechnet damit, dass dann 75 Prozent der Bestandsmarktes von Änderungen betroffen sein werden.

Lesen Sie dazu auch den Bericht: Neue Packungsgrößen sorgen für Irritationen

Lesen Sie dazu auch "Ein Thema, drei Meinungen": Packungsverordnung läuft Therapieempfehlungen zuwider

Mehr zum Thema

Leitartikel zu Geheimpreisen für neue Arzneimittel

Kosten und Nutzen

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