900-Einwohner-Ort

Corona-Ausbruch in Neustadt am Rennsteig wird untersucht

Das Uniklinikum Jena untersucht das Infektionsgeschehen in Neustadt am Rennsteig. Die Studie unterscheidet sich nach Angaben der Wissenschaftler in vielen Punkten vom Vorgehen in Heinsberg.

Von Katrin Zeiß Veröffentlicht:
Wolfgang Tiefensee (SPD), Wirtschaftsminister von Thüringen, erhofft sich von der Studie in Neustadt einen „nachhaltigen Beitrag zur Forschungsdebatte“ um COVID-19.

Wolfgang Tiefensee (SPD), Wirtschaftsminister von Thüringen, erhofft sich von der Studie in Neustadt einen „nachhaltigen Beitrag zur Forschungsdebatte“ um COVID-19.

© Martin Schutt/dpa

Jena. Am Universitätsklinikum Jena ist eine umfassende Studie zu einem Corona-Ausbruch in einem einzelnen Ort angelaufen. Untersucht wird das Infektionsgeschehen im etwa 900 Einwohner zählenden Neustadt am Rennsteig.

In dem kleinen Ort im Thüringer Wald war es im März zu einer Häufung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus gekommen, er wurde deshalb als erster und bislang einziger Ort in Thüringen zwei Wochen komplett unter Quarantäne gestellt und abgeriegelt. In Neustadt waren 49 Corona-Infektionen nachgewiesen worden. Zwei Menschen starben infolge der Infektion.

Sind genesene Menschen immun?

Ein zehnköpfiges Team des Klinikums unter Leitung von Professor Mathias Pletz, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, untersucht, ob es außer den bereits bekannten Fällen auch nicht bemerkte asymptomatische Infektionen gab und ob sich eine Immunität nach überstandener Erkrankung im Ort ausgebildet hat.

Dafür werden Daten von Menschen aller Altersgruppen, von Menschen mit und ohne Vorerkrankungen, Familien- und Singlehaushalten erhoben. Sie werden befragt und getestet. In Fragebögen und Einzelinterviews geht es unter anderem um die Symptomatik und mögliche Ansteckungswege. Gefragt wird auch nach dem Befinden der Menschen während der Quarantäne.

Unterschiede zur Heinsberg-Studie

Die Studie aus Thüringen unterscheidet sich nach Angaben des Jenaer Uniklinikums von der Heinsberg-Studie des Bonner Virologen Hendrik Streeck in mehreren Punkten. So wird der gesamte Ort untersucht. Getestet werden auch Kinder.

Zudem gibt es Unterschiede in der Testmethodik. Bei jedem Studienteilnehmer sollen mehrere Testverfahren zum Einsatz kommen – neben Abstrichen zum Nachweis, dass das Virus in dem Dorf nicht mehr zirkuliert, auch Bluttests zum Nachweis von Antikörpern und zur Untersuchung von spezifischen Abwehrzellen.

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Tests und Auswertungen werden nach Einschätzung der Wissenschaftler mehrere Monate in Anspruch nehmen, erste Ergebnisse erwarten sie noch in diesem Jahr. „Von der Studie erwarten wir uns einen nachhaltigen Beitrag zur Forschungsdebatte über COVID-19“, sagte Thüringens Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD).

„Um die Corona-Krise erfolgreich zu bewältigen, brauchen wir fundierte Erkenntnisse über die Ausbreitungswege des Virus, Krankheitsverläufe und mögliche Immunitäten nach überstandener Erkrankung.“ Finanziert wird die Studie durch das Land Thüringen.

Bedingungen in Neustadt ideal

Die Initiative zu der Studie war von der Landrätin des Ilm-Kreises, Petra Enders (parteilos), ausgegangen. „Wir hatten in Neustadt Bedingungen wie in einem Labor“, erklärte die Kommunalpolitikerin. „In keinem anderen Ort Deutschlands ist in dieser Komplexität und Intensität getestet worden.“ Die meisten der Einwohner waren bereits während der Quarantäne auf das Virus getestet worden, Krankheitssymptome und Kontaktpersonen wurden dokumentiert.

Die Quarantäne war angeordnet worden, weil es in Neustadt am Rennsteig die meisten SARS-CoV-2-Infektionen innerhalb des Ilm-Kreises gegeben hatte. Die Umsetzung wurde von der Polizei kontrolliert. Sie postierte sich sogar an Waldwegen. Es gab auch Verstöße gegen die Quarantäne. Unter anderem kamen Einwohner des Ortes schon vor Ablauf wieder zum Feiern zusammen.

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