Entwurf für Corona-Impfverordnung

Corona-Impfung: Ärzte sollen Priorität attestieren – für fünf Euro

Die ersten Corona-Impfungen wird es in Zentren und durch mobile Teams geben. Doch die niedergelassene Ärzte sind nicht außen vor, im Gegenteil: Sie sollen Risikogruppen den Impfanspruch attestieren – für fünf Euro je Attest. Prompt kommt Kritik, auch von der ärztlichen Basis. Auch Juristen sind skeptisch.

Denis NößlerVon Denis Nößler und Anno FrickeAnno Fricke Veröffentlicht:
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am 1. Dezember im Düsseldorfer Impfzentrum

Impfminister: Jens Spahns neuester Verordnungsentwurf löst auch Kritik aus.

© Federico Gambarini/dpa-Pool/dpa

Berlin. Auf niedergelassene Ärzte kommt mit der erwarteten Zulassung erster Corona-Impfstoffe eine neue Aufgabe zu: Sie sollen Patienten mit Vorerkrankungen dies per Attest bescheinigen, damit sie ihren Anspruch auf eine Impfung nachweisen können. Das sieht ein Entwurf für eine Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) aus dem Bundesgesundheitsministerium vor, der der „Ärzte Zeitung“ vorliegt.

Danach sollen Ärzte je Bescheinigung pauschal fünf Euro erhalten. Ob sie zusätzlich die Versicherten-, Grund- oder Vertreterpauschale werden abrechnen dürfen, geht auf dem Entwurf nicht hervor.

Das Attest soll auch einen Code zur Terminvergabe enthalten können, wenngleich die Details unklar sind. Ärzte werden verpflichtet, die Leistungen zu dokumentieren und bis Ende 2024 zu speichern.

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Die Rechtsverordnung, zu deren Erlass Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seit dem dritten Bevölkerungsschutzgesetz ermächtigt ist, könnte bereits am 15. Dezember in Kraft treten. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hält den Verordnungsweg Berichten zufolge jedoch für falsch.

Hausärzte: Spahn soll „Attestzentren“ gründen

Der Deutsche Hausärzteverband kritisierte am Samstag, die Politik drücke sich vor „klaren Priorisierungsentscheidungen“ und lade sie nun „quasi durch die Hintertür“ bei den Hausärzten ab. Es übersteige die Kapazitäten in den Arztpraxen, „wenn nun millionenfach Einzelgespräche und Untersuchungen für Atteste zur Impfberechtigung durchgeführt werden sollen“, sagte Verbandsvorsitzender Ulrich Weigeldt.

In ärztlichen Foren kritisierten Hausärzte das Honorar für die Atteste. Ein Attest über Grunderkrankungen bei unbekannten Patienten sei nur mit Anamnese und Untersuchung möglich. Der Gesundheitsminister solle dann besser „Attestzentren“ dafür aufbauen, so eine Kritik.

Hausärzte argumentieren, müssten Risikopatienten erst in die Praxis und dann ins Impfzentrum, entstünden dadurch unnötige Kontakte mit der Gefahr einer Infektion. Wenn die Patienten ohnehin in die Praxis müssten, sollten sie auch gleich dort geimpft werden. Die Kühlung etwa der BioNTech-Vakzine BNT162b2 sei anders als zunächst gedacht auch kein größeres Problem mehr, da dieser Impfstoff bis zu fünf Tage in handelsüblichen Kühlschränken aufbewahrt werden kann.

Minister Spahn argumentierte am Samstag in einem digitalen „Town Hall“-Gespräch allerdings mit der absoluten Prioriserung: „Ich will den Ärzten das nicht zumuten.“ Für den Januar gehe er zunächst von drei Millionen Impfdosen von BioNTech aus. „Da wird es ganz andere Diskussionen geben, als der eine oder andere sich das für seinen Empfangstresen wünscht.“

Mit der Impfverordnung soll primär der Anspruch auf eine kostenlose Corona-Impfung geregelt werden. Das Ministerium orientiert sich an dem Rahmen, den die Ständige Impfkommission (STIKO), der Deutsche Ethikrat und die Wissenschaftsakademie Leopoldina Anfang November vorgelegt hatten.

DSO und ÖGD erhalten dezidierten Anspruch

Dem Entwurf zufolge haben zunächst die Personen Anspruch,

  • „die in bestimmten Einrichtungen tätig sind oder dort behandelt, betreut oder gepflegt werden“;
  • „mit signifikant erhöhtem Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf und bei Personen, die solche Personen behandeln, betreuen oder pflegen“;
  • „die in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung besitzen“.

Der Verordnungsentwurf nennt keine Reihenfolge. Für die Risikogruppen und Beschäftigten im Gesundheitswesen trägt der Verordnungsentwurf noch Platzhalter, die ergänzt werden sollen, sobald die STIKO eine Impfempfehlung veröffentlicht hat. Für ein Inkrafttreten der Verordnung Mitte Dezember müsste dies bereits in der zweiten Dezemberwoche der Fall sein.

Zur Daseinsversorge nennt der Entwurf bereits Polizeien, Feuerwehren, den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), Gesundheitseinrichtungen, Apotheken und die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Weitere Einrichtungen sollen nach Stellungnahme der Bundesländer ergänzt werden. Die Länder haben am Sonntag gefordert, auch den Justizvollzug in die Priorisierung aufzunehmen.

Leistung umfassend definiert

Zum Leistungsanspruch sollen neben der Impfung und nötigen Folgeimpfungen auch die Aufklärung und Impfberatung zählen. Auch „symptombezogene Untersuchungen zum Ausschluss akuter Erkrankungen oder Allergien“ zählen dazu sowie die Impfdokumentation im Impfpass.

Zur Aufklärung zählt der Verordnungsentwurf neben der Information über den Nutzen der Impfung:

  • Information über Eintritt und Dauer der Schutzwirkung,
  • Hinweise auf Risiken für Nebenwirkungen und Komplikationen,
  • Erhebung der Anamnese einschließlich möglicher Kontraindikationen sowie eine Impfanamnese,
  • Hinweise zu Folge- und Auffrischimpfungen,
  • Verhaltensempfehlungen nach der Impfung.

Leistungserbringer sind die von den Ländern und Kommunen betriebenen Impfzentren samt der dort angesiedelten mobilen Impfteams. Der Nachweis des Anspruchs erfolgt vor Ort entweder mittels ärztlichem Attest, Personalausweis oder Pass (für Risikogruppen nach dem Alter) oder über einen Tätigkeitsnachweis (bei beruflicher Indikation).

KBV soll Tool zur Terminvergabe entwickeln

In den Betrieb der Impfzentren sollen die Bundesländer die jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (KVen) einbeziehen können – was vielerorts bereits geschieht. Die KVen sind dann zur Mitwirkung verpflichtet. Auch soll die bundesweite Rufnummer 116117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes „zur Steuerung in die Callcenter“ für die Terminvergabe genutzt werden können.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) soll ein „standardisiertes Modul zur telefonischen und digitalen Vereinbarung von Terminen in den Impfzentren“ entwickeln und betreiben. Die Länder sollen das Terminmodul dann anwenden können. Die Kosten dafür sollen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gedeckt werden.

Gesundheitsminister Spahn setzt damit Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) von Anfang November um. Darin wurde seinerzeit auch verabredet, dass die Krankenversicherungen sich hälftig an den Kosten für die Impfzentren beteiligen sollen. Aus dem Gesundheitsfonds sollen 46,5 Prozent der Kosten finanziert werden, die privaten Krankenversicherungen (PKV) sollen zusammen 3,5 Prozent der Kosten übernehmen.

Ein zentrales Einladungsverfahren sieht die Verordnung nicht vor. Auch das kritisiert der Deutsche Hausärzteverband. Ein solches bundeseinheitliches Programm könne sich an den Einladungen zum Mammografie-Screening orientieren, sagte Verbandschef Weigeldt. „Dass dieser Appell bislang ungehört geblieben ist, ist ein Schlag ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen im ambulanten Gesundheitssektor.“

Täglich Meldung der Geimpften ans RKI

Geplant ist hingegen eine zentrale Impfsurveillance. Das Robert Koch-Institut (RKI) soll dafür ein elektronisches Meldesystem einrichten, an das die Impfzentren täglich die Datensätze der Geimpften übermitteln sollen. Die Datensätze sollen pseudonymisiert umfassen:

  • Geburtsjahr und -monat, Geschlecht,
  • Postleitzahl und Landkreis des Impflings,
  • Datum der Impfung und Info, ob es die Erst- oder Folgeimpfung ist,
  • verwendeter Impfstoff und Chargennummer,
  • die zugrundeliegende Impfindikation sowie
  • die Kennnummer des Impfzentrums.

Die Daten soll das RKI auch dem für die Impfstoffzulassung und Überwachung zuständigen Paul-Ehrlich-Insitut (PEI) im hessischen Langen zur Verfügung stellen.

Kritik von Bundestagsjuristen an Spahn

Die geplante Impfverordnung könnte allerdings für politischen und womöglich juristischen Streit sorgen. Denn nach Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags brauche es für die Priorisierung von Impfungen ein Gesetz statt einer Verordnung.

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„Der überwiegend vertretenen Auffassung, wonach die Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen beim Zugang zu Impfstoffen eines förmlichen Gesetzes bedarf, das zumindest die wesentlichen Kriterien für die Verteilung eines knappen Impfstoffes regelt, ist zuzustimmen“, zitiert die Deutsche Presse-Agentur am Sonntag aus einer entsprechenden Ausarbeitung der Bundestagsjuristen.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe habe festgehalten, dass insbesondere die Grundrechtsrelevanz einer Maßnahme dafür entscheidend sei, ob diese durch ein formelles Gesetz zu regeln sei. Die Möglichkeit eines Impfschutzes gegen COVID-19 sei für die gesamte Bevölkerung von enormer Relevanz.

Die Entscheidung, welche Bevölkerungsgruppen bei der Verteilung zunächst zu bevorzugen sind, weise somit „eine hohe generelle Grundrechtsrelevanz auf“, heißt es in der Ausarbeitung, die der FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae angefordert hatte.

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