SARS-CoV-2-Immunisierung

Corona-Impfungen: KBV-Vertreter warnen vor Überforderung der Arztpraxen

Die COVID-19-Impfkampagne sorgt für Stress in den Arztpraxen. Die politische Vertretung der Kassenärzte warnt vor überzogenen Erwartungen und zuviel Bürokratie.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die Arztpraxen dürfen in der Pandemie nicht überfordert werden, mahnt die KBV. Unsichere Impfstofflieferungen und zu viel Bürokratie könnten Niedergelassene zunehmend abschrecken, sich an der Kampagne zu beteiligen.

Die Arztpraxen dürfen in der Pandemie nicht überfordert werden, mahnt die KBV. Unsichere Impfstofflieferungen und zu viel Bürokratie könnten Niedergelassene zunehmend abschrecken, sich an der Kampagne zu beteiligen.

© Mareen Fischinger / Westend61 / picture alliance

Berlin. Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) haben vor einer Überlastung der Arztpraxen in der Pandemie gewarnt. Auch mit der Aufhebung der Priorisierung könne nicht jeder, der wolle, sofort geimpft werden. Zudem drohe mit dem EU-Impfzertifikat ein bürokratischer Supergau in den Praxen. Es wäre besser, wenn sich die Staaten auf das ohnehin geltende Gelbe Impfbuch als Impfnachweis verständigten.

Am 7. Juni soll die Priorisierung für alle Impfstoffe komplett aufgehoben werden. Hintergrund dieser politischen Entscheidung sind deutlich steigende Impfstofflieferungen, die ab dann erwartet werden. „Wir kommen dann in den Bereich, in dem die Impfkapazitäten auf Volllast fahren“, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am Mittwoch bei einer Pressekonferenz.

„Gassen: „Mehr geht nicht!“

Die Aufhebung der Priorisierung mache es für die Praxen zwar einfacher, Patienten einzubestellen. „Mehr als jetzt können die Praxen aber nicht mehr arbeiten“, sagte der KBV-Chef. Die Gesamtkapazität der Praxen und Impfzentren wachse mit den erwarteten Impfstoffmengen auf 7,5 bis acht Millionen Impfungen in der Woche.

Aber nicht jeder Bundesbürger könne ab Juni sofort einen Impftermin bekommen. Forderungen aus der Politik, die Impfzentren dauerhaft zu betreiben, erteilte Gassen eine Absage. Die Corona-Impfungen müssten nun bald Teil der Regelversorgung werden.

Hofmeister: „Vereinzelte Ausstiege!“

Noch scheint sich der Frust über Einschränkungen und Verzerrungen bei der Impfstoffversorgung nicht flächendeckend zu entladen. Es gebe wegen der aktuellen Knappheit und unsicheren Lieferterminen und –mengen keinen nennenswerten Ausstieg von Praxen aus der Impfkampagne, betonten die KBV-Vorstände. „Das kommt bislang eher nur in Einzelfällen vor“, sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. Ein „Massenphänomen“ sei dies nicht. „Es gibt ein ungeheures Pflichtbewusstsein bei den Kolleginnen und Kollegen“, so der KBV-Vize.

Dies lässt sich belegen: Die Beteiligung der Praxen an der Impfkampagne übertrifft die Erwartungen. Mit 50.000 Praxen war gerechnet worden. Bislang sind 67.000 Praxen eingestiegen. Wichtig sei aber, dass zuverlässig mehr Impfstoff ankomme. „Es wäre fatal, wenn wir kurz vor dem Ziel die Praxen verlieren“, sagte Hofmeister.

Kriedel: „Machbar, aber nicht sofort!“

Ein weiterer Stressfaktor für die Praxen in der Pandemie ist die Bürokratie. Schon aktuell müssten die Impfungen im Gelben Impfausweis, bei den KVen, gegenüber den Kassen und dem Robert Koch-Institut dokumentiert werden, zählte KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel auf.

Weitere bürokratische Zumutungen stünden den Ärzten mit dem digitalen Impfzertifikat der EU in die Häuser. Dieses Zertifikat, das zudem auch den Status von Genesenen und Getesteten dokumentieren soll, überfordere die Möglichkeiten vieler Anbieter von Praxisverwaltungssystemen. „Das ist technisch zwar machbar, aber nicht sofort“, sagte Kriedel. Viele könnten voraussichtlich erst zum 1. Juli liefern. Die Industrie habe bereits darum gebeten, laufende Digitalisierungsprojekte rund um die Patientenakte aufschieben zu dürfen.

Dass die Praxisärzte zudem rund zehn Millionen bereits geimpfter Menschen nachträglich ihr digitales Impfzertifikat ausstellen sollen, gehe gar nicht. Dabei handele es sich nicht um eine medizinische Frage, betonten die KV-Vertreter. Bei dem Zertifikat handele es sich im Grunde um ein „Reisedokument“. Die Bestätigung, dass die Impfungen stattgefunden haben, könnten deshalb auch die Bürgerämter und andere Stellen vornehmen.

Mehr zum Thema

Bürokratieabbau in der Praxis

Kinderärzte fordern Abschaffung der Kinderkrankschreibung

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System

Lesetipps
Der Patient wird auf eine C287Y-Mutation im HFE-Gen untersucht. Das Ergebnis, eine homozygote Mutation, bestätigt die Verdachtsdiagnose: Der Patient leidet an einer Hämochromatose.

© hh5800 / Getty Images / iStock

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen