Diskussion um Impfstoff

Corona-Vakzine: AstraZeneca liefert früher – aber wohl nicht mehr

Wann wie viele Dosen? Der Streit um gekürzte Lieferungen des COVID-19-Impfstoffs von AstraZeneca für die EU eskaliert weiter. Gleichzeitig räumt die EU ein, dass es viele offene Fragen bei der Corona-Impfung gibt.

Von Detlef Drewes Veröffentlicht:
Wer bekommt wann wie viel? Jede Menge offene Fragen zum Corona-Impfstoff von AstraZeneca.

Wer bekommt wann wie viel? Jede Menge offene Fragen zum Corona-Impfstoff von AstraZeneca.

© Owen Humphreys/picture alliance/empics

Brüssel. Die Bemühungen um eine Schlichtung des Streits zwischen dem britisch-schwedischen Impfstoff-Hersteller AstraZeneca und der Europäischen Kommission sind am Mittwoch vorerst gescheitert. Zwar kündigte der Konzern an, seine Lieferungen an die 27 Mitgliedstaaten bereits am 7. Februar zu beginnen – also eine Woche früher als bisher geplant. Allerdings gab es zunächst keine Signale, dass die geplante Kürzung der Liefermenge für die EU von 80 auf 31 Millionen Impfdosen im ersten Quartal 2021 noch zurückgenommen werden soll.

Im Gegenteil: Der Versuch von AstraZeneca-Chef Pascal Soriot, in einem Interview mit zwei europäischen Zeitungen die Wogen zu glätten, scheiterte komplett. Aus Brüssel hieß es zu seinen Aussagen nur brüsk: „Das reicht nicht.“ Die EU habe drei Monate später als Großbritannien den Kaufvertrag mit AstraZeneca unterschrieben, hatte der Konzernchef gegenüber den Medien erklärt. Es gebe auch keine Klausel, die sein Unternehmen verpflichte, Impfdosen auf Halde zu produzieren, um am Tag der Zulassung eine bestimmte Menge an Ampullen ausliefern zu können. „Wir haben zugesagt, es zu versuchen, uns aber nicht vertraglich verpflichtet.“

Aussage gegen Aussage

Die EU-Kommission bekräftigte am Mittwoch das genaue Gegenteil: AstraZeneca habe 336 Millionen Euro für die Forschung und die Sicherung der Produktion erhalten. Dies sei mit einer Zusage zur Bereitstellung der Impfdosen verknüpft gewesen.

Wie groß die Aufregung und Verärgerung in Brüssel wirklich ist, kann man in diesen Tagen daran ablesen, dass die Chefs der zuständigen EU-Agenturen vor die Mikrofone traten, um die Korrespondenten aus den Mitgliedstaaten zu informieren. Emer Cooke, Direktorin der Europäischen Arzneimittelagentur in Amsterdam, präsentierte dabei mehr Fragen als Antworten. Wann kommen Impfstoffe für Schwangere und Kinder? „Es müssen noch weitere Untersuchungen unternommen werden.“ Können Geimpfte das Virus weitergeben? „Die Studien dazu liegen noch nicht vor.“

Aus Kreisen der EU-Agentur zur Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) im schwedischen Solna hieß es gestern, man sei „optimistisch“, dass die vorhandenen Vakzine bei den Mutanten aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien wirksam sind. Und noch eine Frage blieb bei allen Experten, die die EU in den vergangenen Tagen auffuhr, auf seltsame Weise unbeantwortet: Könnte es doch sein, dass der AstraZeneca-Impfstoff bei älteren Menschen über 65 weniger wirksam ist?

Wird Votum über Zulassung vertagt?

„Bei den Studien, die durchgeführt worden sind, gab es nur sehr, sehr wenige ältere Menschen, die teilgenommen haben“, zog sich EMA-Chefin Cooke aus der Affäre, um dann über die Möglichkeiten, die dem Zulassungsausschuss bleiben, zu referieren. Eine begrenzte Zulassung nur für bestimmte Altersgruppen sei ebenso möglich wie eine Vertagung der Entscheidung am Freitag. Es gingen schließlich immer noch neue Daten vom Hersteller ein. Ein mit dem Zulassungsverfahren vertrauter Experte der EMA wollte sich am Mittwoch ebenfalls nicht festlegen und bat inständig um Geduld, das Urteil der Behörde abzuwarten.

Wie der Streit mit AstraZeneca nun beigelegt werden kann, ist offen. Das Unternehmen hatte gestern zunächst die Teilnahme an einem Gespräch mit dem Lenkungsausschuss aus Vertretern der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten am Mittwochabend abgesagt. Nur kurz darauf teilte der Konzern mit, man werde doch an dem Treffen mit der Kommission teilnehmen.

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