Gesetzespläne

DGHO fordert klaren Rechtsrahmen für ärztlich assistierte Selbsttötung

Der Bundestag will das Recht auf Sterbehilfe neu regeln. Onkologen und Hämatologen mahnen eine ausdifferenzierte Lösung an: Ärzte bräuchten bei dem Thema Rechtssicherheit und Handlungsspielraum.

Veröffentlicht:
Todbringendes Medikament – hier eine leere Flasche mit Pentobarbital-Natrium.

Todbringendes Medikament – hier eine leere Flasche mit Pentobarbital-Natrium.

© Patrick Seeger / dpa

Berlin. Onkologen haben die Politik zu einer bedachten Regelung des Rechts auf assistierte Selbsttötung aufgerufen. „Für Ärztinnen und Ärzte braucht es neben Rechtssicherheit immer auch Handlungsspielraum“, sagte der Geschäftsführende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), Professor Hermann Einsele, am Donnerstag.

Situationen, in denen sich die Frage nach Sterbebegleitung stelle, seien kompliziert, sie variierten je nach Lebenslage, Lebenssicht und Krankheit. Mit einfachen Gesetzeslösungen lasse sich das Thema daher nicht handhaben, betonte Einsele.

„Kompliziertes Thema“

Für die in der Hämatologie und Onkologie tätigen Ärztinnen und Ärzte sei die assistierte Selbsttötung ein „relevantes“ und „sehr konkretes Thema“, so Einsele. Viele der Patienten seien schwer erkrankt und hätten einen „hohen Leidensdruck“. Jährlich erkrankten in Deutschland etwa 500.000 Menschen neu an Krebs – nur die Hälfte könne geheilt werden.

„Auch, wenn die assistierte Selbsttötung nur von wenigen Menschen ernstlich in Erwägung gezogen wird, gehen wir davon aus, dass Ärztinnen und Ärzte in der Hämatologie und Onkologie in Zukunft häufiger mit entsprechenden Anfragen konfrontiert werden“, sagte der Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Professor Jan Schildmann.

So habe sich in der Schweiz die Zahl assistierter Selbsttötungen seit 2010 etwa verdreifacht und mache heute knapp zwei Prozent aller Todesfälle dort aus. „Ich gehe angesichts des veränderten rechtlichen Rahmens davon aus, dass die Anzahl der Todesfälle durch assistierte Selbsttötung auch bei uns zunehmen wird“, so Schildmann.

Drei Gesetzesanträge im Bundestag

Dem Bundestag liegen derzeit drei Gesetzesanträge zur Neuregelung der Sterbehilfe vor. Welcher der Vorstöße, die sich inhaltlich stark unterscheiden, eine Mehrheit hinter sich vereinen kann, gilt als völlig offen. Hintergrund der Gesetzesaktivitäten ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Februar 2020.

Die Karlsruher Richter hatten festgestellt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „Ausdruck persönlicher Autonomie“ auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasse. Dies schließe auch die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierfür „Dritte“ um Hilfe zu ersuchen. Der Deutsche Ärztetag hatte das Verbot ärztlicher Suizidassistenz im Mai 2021 aus der Berufsordnung gestrichen.

Künast: „Brauchen Klarheit und Schutz“

Laut einer DGHO-Erhebung von 2021 gibt etwa die Hälfte der befragten Ärzte an, im Berufsalltag schon einmal von Patienten auf Informationen zur assistierten Selbsttötung angesprochen worden zu sein.

Etwa ein Drittel berichtet, Patienten hätten um ein Rezept für tödlich wirkende Medikamente gebeten. An der Befragung der Fachgesellschaft nahmen mehr als 700 Ärztinnen und Ärzte teil. Nur zwei Prozent von ihnen haben bereits Hilfe zur Selbsttötung bei Patienten geleistet.

Die Grünen-Parlamentarierin Renate Künast, die Mitverfasserin des „Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Änderung weiterer Gesetze“ ist, sagte, aus dem Karlsruher Urteil zur Suizidassistenz leite sich für den Bundestag die Aufgabe ab, „hier klare Leitplanken aufzustellen“. Es brauche „Klarheit und Schutz“. (hom/ker)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Sterbehilfe bei neurologischen Erkrankungen oft gefragt

Assistierter Suizid in Deutschland: Rechtliche Situation und offene Fragen

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Durvalumab im Real-World-Vergleich

© Springer Medizin Verlag

ED-SCLC

Durvalumab im Real-World-Vergleich

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München
Abb. 1: Finale Analyse der SPOTLIGHT-Studie zum fortgeschrittenen, Claudin-18.2-positiven und HER2-negativen Adenokarzinom des Magens/AEG: Gesamtüberleben (PPS-Population)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Adenokarzinom des Magens/gastroösophagealen Übergangs

Zolbetuximab: Standardtherapie bei CLDN18.2+/HER2− Magenkarzinomen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Astellas Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Eine Ärztin hält einen Reagenzstreifen zur Analyse einer Urinprobe in der Hand.

© H_Ko / stock.adobe.com

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Ein älterer Herr, der einen medizinischen Fragebogen ausfüllt.

© buritora / stock.adobe.com

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant