Hintergrund

DMP – strukturierte Versorgung mit Feedback-Schleife

Die Einschreibung von Patienten in Disease-Management-Programme sorgt für eine Versorgung in festen Strukturen. Die an Leitlinien orientierten Qualitätsziele werden überwiegend erreicht. Doch ein Vergleich zur Regelversorgung fehlt.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

Die Versorgung von chronisch Kranken in Disease-Management-Programmen (DMP) ist ein schlafender Riese in der Versorgung von Kassenpatienten. Nur selten geraten die Anfang des vergangenen Jahrzehnts gestarteten Programme noch ins Blickfeld der Öffentlichkeit, doch in der Versorgung spielen sie längst eine wichtige Rolle.

Gut 6,5 Millionen chronisch Kranke sind mittlerweile in mindestens eines der aktuell sechs DMP eingeschrieben. Weitere drei DMP, Herzinsuffizienz (ab 2018), Rückenschmerzen und Depression sind in Vorbereitung. Patienten in den DMP werden von ihren Haus- und Fachärzten nach festen Strukturvorgaben versorgt: zwei bis vier Arzt-Patienten-Kontakte pro Jahr, vorgegebene Laboruntersuchungen, Koordination zwischen Haus- und Fachärzten, strukturierte Dokumentation.

Vier bis sechs Euro Fallwert

Hausärzte, die sich an DMP beteiligen und ihre chronisch kranken Patienten systematisch dazu motivieren, sich einzuschreiben, generieren aus DMP ein sicheres, extrabudgetär gezahltes Honorar: 4000 bis 6000 Euro DMP-Honorare sind bei 1000 Fällen pro Quartal nach Angaben von Unternehmensberatern durchaus drin, also ein zusätzlicher Fallwert von vier bis sechs Euro über alle Patienten. Hinzu kommt, dass ein Teil der Untersuchungen an Medizinische Fachangestellte (MFA), vor allem wenn sie eine Fortbildung zur NäPA oder VERAH gemacht haben, delegiert werden kann.

Gespeist werden die zusätzlichen Arzthonorare aus der sogenannten Programmkostenpauschale, die zur Deckung der Programmkosten für arztbezogene Aufwendungen wie Dokumentations- oder Koordinationsleistungen und für kassenbezogene Aufwendungen wie Verwaltungskosten verwendet wird. Das Geld – 2017 erhalten die Kassen 145,68 Euro je eingeschriebenem Versichertem – wird den Kostenträgern aus dem Gesundheitsfonds zugewiesen. Bei gut 6,5 Millionen DMP-Patienten fließt also fast eine Milliarde Euro ins System.

Orientierung an Leitlinien

Doch die zusätzliche Honorierung der Ärzte und die zusätzliche Dotierung der Krankenkassen mit Beitragsgeldern ist nur ein Aspekt der Programme. Die jetzt im Internet bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abrufbare Auswertung der Behandlungsergebnisse von DMP-Patienten für das Jahr 2015 zeigt, dass die Vorgaben für die strukturierte Behandlung offensichtlich dazu beitragen, dass die Patienten überwiegend eine leitliniengerechte Therapie erhalten. Beispiel DMP KHK:

» Medikation: 80 Prozent der Patienten, bei denen keine Kontraindikation vorliegt, sollen einen Thrombozytenaggregationshemmer erhalten. Tatsächlich bekommen sogar 83,7 Prozent der Patienten diese Medikation. Bei Betablockern (Ziel: 80 Prozent der eingeschriebenen Patienten ohne Kontraindikation) schaffen die Ärzte eine Punktlandung (80,5 Prozent), bei Statinen (Ziel 80 Prozent) liegen sie leicht drunter (75,3 Prozent).

» Blutdruck: Mindestens 60 Prozent der eingeschriebenen Patienten mit Hypertonie sollen einen Blutdruck von höchstens 139/89 mmHg erreichen. Laut Auswertung schaffen die Ärzte 62,3 Prozent, Ziel erreicht.

» Rauchen: Etwas weicher formuliert sind die Ziele bei der Raucherquote. "Ein niedriger Anteil der Patienten raucht", heißt es – die Ärzte schaffen elf Prozent. Schlechter sieht es bei der Raucherentwöhnung aus: 80 Prozent der Patienten, die bei Einschreibung Raucher waren, rauchten noch 2015 . Ein niedriger Anteil ist das nicht.

» Keine Angina-Pectoris-Beschwerden: Die Ärzte sollen bei ihren Patienten einen "hohen Anteil" ohne Beschwerden erreichen. Bei 90,4 Prozent liegt der Ist-Wert.

» Diabetes- und Hypertonie-Schulungen: Mit Ist-Werten von 13,2 Prozent und 9,7 Prozent sind die Ärzte derzeit noch weit von einem "hohen Anteil", der erreicht werden soll, entfernt.

Wichtig als Ansporn für Ärzte, die Ziele zu erreichen, sind die individuellen Feedback-Berichte alle sechs Monate. Sie zeigen die eigenen Ergebnisse im Vergleich mit den Ist-Werten aller Ärzte im DMP und mit den Zielwerten. Diese Standortbestimmung soll Ansporn sein, bei Nachholbedarf entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung einzuleiten.

Was die Auswertung nicht enthält, ist ein Vergleich mit den Ergebnissen in der Regelversorgung. Erst ein solcher Vergleich ließe eine echte Kosten-Nutzen-Bewertung der DMP zu, denn auch in der Regelversorgung könnte sich die Versorgung der Patienten ja verbessert haben – ganz ohne Zusatzhonorar für DMP-Patienten. Aber mit der Nutzenbewertung eigener Maßnahmen ist das GKV-System schon immer eher großzügig gewesen.

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