EU baut auf den "virtuellen Zwilling"

Die EU richtet sich auf eine alternde Gesellschaft ein. Ein Schlüssel zur Bewältigung der Probleme ist personalisierte Medizin.

Von Thomas A. Friedrich Veröffentlicht:
EU-Konzept des "virtuellen Zwilling": Damit sollen individuelle Veränderungen der Umwelt, der Medizin und des Organismus erfasst werden.

EU-Konzept des "virtuellen Zwilling": Damit sollen individuelle Veränderungen der Umwelt, der Medizin und des Organismus erfasst werden.

© begsteiger / imago

BAD HOFGASTEIN. Europas Bevölkerung stagniert: In 13 EU-Staaten ist die Sterberate höher als die Geburtenrate. Der Anteil älterer Personen steigt steil an. So wird der Anteil der über 65-Jährigen bis 2015 um 22 Prozent und der über 80-Jährigen sogar um 50 Prozent anwachsen.

"Das wird zu enormen Herausforderungen für die Gesundheitssysteme führen", warnte Professor Peter Boyle, Präsident des International Prevention Research Institute beim European Health Forum Gastein (EHFG).

Standards bei Gesundheitsdienstleistungen aufrechterhalten

Der starke Anstieg vieler chronischer Erkrankungen erfordere eine gemeinsame EU-Strategie. "Nur so können wir die bisherigen Standards bei Gesundheitsdienstleistungen noch aufrechterhalten," betont EHFG-Präsident Professor Günther Leiner.

Chronische Erkrankungen nehmen dramatisch zu: Allein zwischen 2004 und 2006 stieg die Zahl neu diagnostizierter Krebserkrankungen um 300.000 von jährlich 2,9 Millionen auf 3,2 Millionen. Die Zahl der jährlichen Krebstoten in der EU steigt bis 2015 auf 1,41 Millionen. Die Zahl der Diabetes-Patienten nimmt von 55 Millionen heute auf 66 Millionen im Jahr 2030 zu.

"Obwohl die Ausgaben für medizinische Forschung in den vergangenen 30 Jahren erheblich gestiegen sind, bleiben die Behandlungs-Fortschritte bei diesen Erkrankungen noch immer bescheiden", sagt Professor Dr. Angela Brand von der Universität Maastricht. Ein Grund dafür sei, dass die zelluläre und genetische individuelle Einzigartigkeit des Patienten nicht mit einbezogen werde.

EU-Flaggschiff-Pilotprojekt IT Zukunft der Medizin

"Das EU-Flaggschiff-Pilotprojekt IT Zukunft der Medizin (IT Future of Medicine, ITFoM) soll hier Abhilfe schaffen", erklärt Robert Madelin, Generaldirektor für die Informationsgesellschaft bei der EU-Kommission.

Mit dem Konzept des "virtuellen Zwillings" soll die individuelle Reaktion des menschlichen Organismus auf Veränderungen der Umwelt, auf Medikamente oder krankhafte Veränderungen erfasst werden, noch bevor Symptome auftreten.

Patientendaten auf USB-Stick könnten dem Arzt individuelle Therapie ermöglichen

Die auf einem USB-Stick gespeicherten individuellen Daten in Händen des Patienten könnte dem behandelnden Arzt den Schlüssel für eine individualisierte Analyse, Diagnose und maßgeschneiderte Therapien ermöglichen.

Die Ergebnisse dieser Computeranalyse sollen die Grundlage des Beratungsgesprächs bilden für Medikamente, Lebensstil oder Reha-Maßnahmen. Dies sei der Weg, weg von einer Reparaturmedizin zu einer "Medizin just-in-time", so Brand. Er erwartet, dass die Therapiekosten einer Chemotherapie von heute rund 30 000 Euro um 70 Prozent gesenkt werden.

Professor Hans Westerhoff von der Uni Maastricht ist überzeugt: "Durch die Errungenschaften, die ITFoM verwirklichen soll, können wir eine weltweite jährliche Ersparnis von 100 Milliarden Euro an Gesundheitskosten erwarten." Die Investitionen sollen lediglich 100 Millionen Euro betragen.

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