COVID-Impfkampagne
EU forciert Produktion von Corona-Impfstoffen
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in Brüssel neue Initiativen für die Impfstoffproduktion vorgestellt. Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton wird Chef einer Task Force.
Veröffentlicht:Brüssel. Jetzt übernimmt Thierry Breton. Der 66-jährige Franzose weiß, wie man mit Chefs von Unternehmen sprechen muss. Bevor der Vertraute des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron in Brüssel das zentrale Binnenmarkt-Ressort der EU-Kommission übernahm, war er der Mann an der Spitze von France Telecom. Nun heißen seine Partner Pfizer, BioNTech, AstraZeneca oder Johnson & Johnson.
„Wir haben eine Task Force gegründet, die die Probleme bei der Herstellung von Impfstoffen identifizieren und beseitigen soll“, kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament an. Erwartet wurde eine ausführliche Analyse der Fehler und Pannen, die bei der Bestellung und Beschaffung der Vakzine aufgetreten waren.
Bis Sommer 70 Prozent aller EU-Bürger geimpft?
Von der Leyen räumte zwar Schwächen ein, bemühte sich jedoch vor allem, den Blick nach vorne zu richten. Das Ziel heiße: Bis zum Sommer sollen 70 Prozent aller 350 Millionen impffähigen EU-Bürger vor SARS-CoV-2 und seinen Mutanten geschützt sein. Die Europäische Volkspartei (EVP) schlug vor, zehn Milliarden Euro bereitzustellen, um Schwachpunkte in der Produktion zu beseitigen. Der Vorstoß liegt jetzt auf dem Tisch, die EU-Staats- und Regierungschefs könnten bei ihrem nächsten virtuellen Gipfeltreffen Ende des Monats darüber entscheiden.
Von der Leyen, selbst Ärztin , weiß, wie viele Stolpersteine auf dem Weg dorthin zu überwinden sind. Um Impfstoffe herzustellen, seien bis zu 400 verschiedene Komponenten nötig, erklärte sie den Volksvertretern aus den 27 Mitgliedstaaten. „Mit nur 250 Gramm bestimmter synthetischer Moleküle können eine Million Impfstoffdosen hergestellt werden.“
In Marburg produziert BioNTech bisher auf Halde
Es seien die Lieferketten, bei denen es hakt. Das bestätigen inzwischen auch die Chefs der Pharma-Firmen selbst. Aber das ist nur eines von vielen Problemen. BioNTech hat beispielsweise gestern seine neue Fertigung in Marburg aufgenommen. Man produziert bereits – aber nur auf Halde. Zunächst müssen Proben einer ersten Charge von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) geprüft und zugelassen werden. Das dauert. „Wir waren spät dran bei der Zulassung“, räumte von der Leyen ein. Das Umsteuern brauche Zeit.
Hinzu kommen Vorwürfe mangelnder Transparenz. Zwar wurden inzwischen vier Verträge mit Herstellern veröffentlicht – erst gestern legte die Kommission die Vereinbarungen mit Sanofi-GSK (der französische Konzern ist allerdings aus dem Rennen um ein Vakzin ausgestiegen) offen. Wieder sind entscheidende Stellen geschwärzt. Künftig soll es eine gemeinsame Arbeitsgruppe von EU-Kommission und -Parlament geben, sodass für mehr Transparenz gesorgt werde.
Ausfuhr von US-Impfdosen nach Europa erlaubt?
Die meisten Schwierigkeiten bereiten die politischen Bedingungen. Noch im Februar dürfte der US-Konzern Johnson & Johnson die EU-Zulassung für sein Vakzin bekommen. Das Produkt wird in Belgien und den Niederlanden von Janssen Pharmaceutica produziert. Johnson & Johnson besteht aber darauf, dass die Abfüllung im US-Bundessstaat Michigan erfolgt. Dürfen die fertigen Ampullen dann wieder in die EU ausgeführt werden? Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte verfügt, dass Impfstoffe erst dann für andere frei sind, wenn die Vereinigten Staaten genug haben. Sein Nachfolger Joe Biden hat daran nichts geändert. Im schlimmsten Fall müsste die EU noch monatelang auf die Dosen warten.
Und dann sind da noch die Mutanten. In der kommenden Woche will die Kommission einen Bericht über das steigende Risiko durch Virusvarianten vorlegen. Die Regierungen der 27 EU-Mitgliedstaaten wissen, dass die Sequenzierung verstärkt werden und die Pharma-Industrie ihre Anstrengungen intensivieren müssen, um bisherige Vakzine aus- oder umzubauen. In der Branche heißt es, der Stopp des AstraZeneca-Vakzins durch Südafrika sei ein „Warnschuss“ gewesen.