Eilverfahren: Wo der Bonus-Hase lang läuft

Zugaben auf Rezept? - Erstmals hat ein Gericht jetzt den Spagat zwischen wettbewerbsrechtlicher Belanglosigkeit und strikter arzneimittelrechtlicher Preisbindung versucht.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Für ihr Veto gegen Zugaben im Rx-Geschäft haben Aufsichtsbehörden einen Ermessensspielraum. Der wurde kürzlich in mehreren Eilverfahren umrissen.

Für ihr Veto gegen Zugaben im Rx-Geschäft haben Aufsichtsbehörden einen Ermessensspielraum. Der wurde kürzlich in mehreren Eilverfahren umrissen.

© Illian

Nachdem der Bundesgerichtshof vor knapp einem Jahr entschied, dass geringwertige Zugaben - bis zu einem Euro - auch im Rezeptgeschäft wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden seien, sahen sich die Aufsichtsbehörden verschiedentlich veranlasst, gegen Rx-Boni die vom BGH gleichfalls bekräftigte arzneimittelrechtliche Preisbindung einzufordern.

So auch die Apothekerkammer Niedersachsen, die unter anderem die Rabattprogramme der Sanicare-Filiale Aliva (3,- Euro OTC-Gutschrift / Rezept) und der Versandapotheke Apotal (1,50 Euro / Rezeptposition) untersagte.

Im Eilverfahren wurde die Kammer vom niedersächsischen Oberverwaltungsgericht jetzt darin bestätigt. Auch in einem dritten Fall, bei dem es um Apotheken-Taler über 50 Cent ging, bestätigte das OVG die prinzipielle Preisbindung, befand jedoch, dass die Kammer hier nicht hätte einschreiten müssen.

In dem Ermessensspielraum, den die Aufsichtsbehörde habe, müsse sich die vom BGH seinerzeit konstatierte wettbewerbsrechtliche "Spürbarkeitsschwelle" "zumindest widerspiegeln", findet das OVG. Eindeutig überschritten sei die "Eingriffsschwelle" der Kammer dann aber, "wenn eine Versandapotheke Einkaufsgutscheine im Wert von 1,50 Euro pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel ausgibt", heißt es in dem Beschluss.

Versandapotheken haben die schlechteren Karten

Die Apothekerkammer Niedersachsen zeigte sich mit der Bewertung des OVG "zufrieden". Im Besonderen verweist sie auf weitere Details der OVG-Ausführungen: "Das Gericht stellte mit Nachdruck klar, dass nicht per se Boni im Wert von weniger als einem Euro bei Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel zulässig seien. Vielmehr kommt es auf die Art des Bonusmodells und die Bandbreite seines Einsatzes bei einem Wert von unter einem Euro pro Arzneimittel an".

Tatsächlich befand das OVG, dass Rx-Boni individuell zu prüfen seien. Je eher sich ein solches Programm einem Barrabatt annähere, "desto niedriger ist der zulässige Wert der Werbegabe anzusetzen". Darüber hinaus spiele auch deren Reichweite eine Rolle.

"Je mehr das Geschäftsmodell auf eine landes- bzw. bundesweite Kundengewinnung zielt, desto niedriger ist die Spürbarkeitsschwelle bzw. die (behördliche - red.) Eingriffsschwelle anzusetzen". Für Versandapotheken gälten demnach strengere Maßstäbe als für eine Ladenapotheke.

Ob der Sachverhalt in einer Hauptverhandlung ausführlicher seziert wird, ist noch nicht sicher. Ein Sprecher der Versandapotheke Apotal erklärte, man denke darüber nach. Allerdings sei die Neigung, den Instanzenweg zu beschreiten und seinen Rx-Bonus grundsätzlich überprüfen zu lassen momentan noch größer als die Neigung, es nicht zu tun.

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