Soziale Pflegeversicherung

Ein Darlehen verhindert, dass Pflegekassen finanziell auf Grund laufen

Der sozialen Pflegeversicherung droht angesichts eines Defizits von 650 Millionen Euro allein im Juli das Geld auszugehen. Das Bundesgesundheitsministerium reagiert mit einem Milliarden-Darlehen – daran entzündet sich Kritik.

Veröffentlicht:
Bewohner und eine Pflegekraft auf den Fluren eines Pflegeheims: Der Zuschuss, den die Pflegekassen insbesondere bei längerem Heimaufenthalt zahlen, hat die Ausgaben seit Jahresbeginn stark steigen lassen.

Bewohner und eine Pflegekraft auf den Fluren eines Pflegeheims: Der Zuschuss, den die Pflegekassen insbesondere bei längerem Heimaufenthalt zahlen, hat die Ausgaben seit Jahresbeginn stark steigen lassen.

© Sina Schuldt/dpa

Berlin. Angesichts stark steigender Ausgaben benötigt die soziale Pflegeversicherung (SPV) eine akute Finanzspritze. Das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) habe der SPV daher ein Darlehen von einer Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, teilte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am Mittwoch mit.

Im ersten Halbjahr ist bei den Pflegekassen ein Defizit von 1,95 Milliarden Euro aufgelaufen. Die Rücklagen schmolzen in diesem Zeitraum von rund 6,85 auf 4,9 Milliarden Euro. Das entspricht nur noch 1,1 Monatsausgaben der SPV und liegt damit nur noch knapp über dem Rücklagesoll. Allein im Juli sei dann nochmals ein Defizit von 651 Millionen Euro aufgelaufen, berichtet das BMG.

Als Grund für die Entwicklung gibt das Ministerium insbesondere die Ausgaben für den Pflegeschutzschirm (bis Ende Juni 1,15 Milliarden Euro) sowie Erstattungen von Testkosten an, die sich im ersten Halbjahr auf 1,18 Milliarden Euro addiert hätten.

Ausgabenplus von 10,5 Prozent im ersten Halbjahr

Eigentlich war die SPV mit Rückenwind ins Jahr 2022 gestartet: Erstmals erhalten die Pflegekassen einen regulären Bundeszuschuss von jährlich einer Milliarde Euro. Zudem erhöhte sich mit Jahresbeginn der Beitrag für Kinderlose um 0,1 Punkte auf 3,4 Prozent. Dies zusammengenommen, haben die Einnahmen der SPV im ersten Halbjahr um sieben Prozent zugelegt. Dem standen allerdings um 10,5 Prozent gestiegene Ausgaben gegenüber.

Ursächlich für diesen Zuwachs waren die mit 25 Prozent stark überproportional gestiegenen Ausgaben für die stationäre Pflege. Hauptgrund ist hier der Zuschuss, den die SPV seit Anfang des Jahres Pflegebedürftigen bei längerem Heimaufenthalt zahlt. Hierfür waren aufs ganze Jahr gesehen Mehrausgaben von 2,5 Milliarden Euro eingeplant. Die Bundesbank berichtete im Juni, dass sich bereits nach dem ersten Quartal hier höhere Ausgaben abgezeichnet hätten als ursprünglich angenommen.

Sowohl der pandemiebedingte Sonderzuschuss in Höhe von einer Milliarde Euro als auch der reguläre Bundeszuschuss könnten die neuen Lasten, die sich aus der letzten Pflegereform ergeben haben, nicht ausgleichen, warnte die Bundesbank im Juni. Die Rücklagen könnten daher soweit aufgebraucht werden, „dass der Beitragssatz bereits 2023 weiter angehoben werden muss“, schrieben die Bundesbanker.

Lesen sie auch

Ersatzkassen: Regierung verschiebt die Lasten nur

Jetzt ist dieser Fall offenbar bereits zur Jahresmitte eingetreten. Das BMG gibt sich mit Blick auf die weiteren finanziellen Perspektiven der SPV schmallippig: Man arbeite an Reformvorschlägen, die „noch dieses Jahr vorgelegt werden“, hieß es lediglich.

Der Verband der Ersatzkassen zeigte sich von dem Darlehen wenig angetan: „Die SPV fährt damit weiterhin auf Reserve. Das Problem wird lediglich auf kommendes Jahr verschoben, da das Darlehen bis Ende 2023 zurückgezahlt werden muss“, kommentierte die vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner am Mittwoch. Für die Gegenfinanzierung der erwartbaren Mehrausgaben sei vielmehr ein „dauerhaft angelegter Steuerzuschuss dringend angezeigt“.

Der vdek benennt auch eine potenzielle alternative Finanzquelle: Würde sich auch die private Pflegeversicherung am gemeinsamen Finanzausgleich beteiligen, „bringt das eine weitere Entlastung der SPV um zwei Milliarden Euro jährlich“. (fst)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Ist das AMNOG bereit für HIV-Innovationen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Hypochlorite desinfizieren gut, sind aber auch giftig und ätzend. In diesem Therapieversuch war die Chemikalie wirksam gegen eine Infektion der Haut mit Polyoma-Viren.

© Malivi / stock.adobe.com

Kasuistik

Trichodysplasia spinulosa: Die Säure hat geholfen

Herzinfarkt: Mehr als die Hälfte der Herzinfarkte ging in einer Studie bei Frauen unter 65 Jahren auf andere Ursachen als eine Atherosklerose der Herzkranzgefäße zurück. (Symbolbild mit Fotomodell)

© My Ocean studio / stock.adobe.com

An Embolie und Dissektion denken!

Junge Frauen mit Herzinfarkt: Oft ist es keine Atherosklerose