EU-Forschungsprogramm

Europäischer Rat ebnet Weg für „Horizon Europe“

Bis 2027 stehen Wissenschaftlern nun mehr als 95 Milliarden Euro europäischer Forschungsmittel zur Verfügung. Die EU sieht das Programm auch als Stärkung ineffizienter Gesundheitssysteme.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Die EU sieht das Programm „Horizon Europe“ auch als Stärkung ineffizienter Gesundheitssysteme.

Die EU sieht das Programm „Horizon Europe“ auch als Stärkung ineffizienter Gesundheitssysteme.

© AIDAsign / stock.adobe.com

Brüssel. Die EU kann nun am großen Forschungsrad drehen – unter anderem bei der Krebs-, aber auch bei der Forschung mit Bezug auf rheumatische und muskuloskelettale Erkrankungen.

Am Montag hat der Europäische Rat den Rechtsrahmen für „Horizon Europe“, das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation für die Jahre 2021 bis 2027, gelegt. Das EU-Parlament hatte bereits Ende April zugestimmt.

Für die Forschungswelt erfreulich: Nachdem die EU vor der Corona-Pandemie 100 Milliarden Euro für den Nachfolger des Programms „Horizon 2020“ veranschlagt hatte, wurde die Finanzausstattung zunächst auf 84,9 Milliarden Euro gestutzt.

Nun sollen zusätzliche Mittel zur Aufstockung auf 95,5 Milliarden Euro beitragen – darunter 5,4 Milliarden Euro aus dem Aufbauinstrument „NextGenerationEU“ und weitere Milliarden aus dem Topf des Europäischen Forschungsrates (ERC).

Programm steht auf drei Säulen

„Horizon Europe“ besteht aus drei Säulen:

  • Wissenschaftsexzellenz: Über den ERC sollen bahnbrechende Forschungsvorhaben gefördert werden, die Forschung autonom bleiben. Finanziert werden auch Stipendien und Austauschprogramme für Forscher. Geld fließt außerdem in die Forschungsinfrastruktur.
  • Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas: Im Rahmen dieser Säule gibt es laut EU-Parlament Direktförderungen für Forschungsvorhaben zu Gesellschaft, Technik und Industrie. Darüber hinaus werden die Schwerpunkte EU-weiter Forschungsaufträge festgelegt. Die Säule umfasst auch öffentlich-öffentliche und öffentlich-private Europäische Partnerschaften sowie Vorhaben der Gemeinsamen Forschungsstelle. Sie steht politischen Entscheidungsträgern auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten mit unabhängigen wissenschaftlichen Erkenntnissen und technischer Unterstützung beiseite.
  • Innovatives Europa: Ziel ist, Europa bei Innovationen mit Marktpotenzial durch den Europäischen Innovationsrat zum Vorreiter zu machen. Durch die Stärkung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT) soll außerdem die Wechselbeziehung zwischen Wirtschaft, Forschung, Hochschulbildung und Unternehmertum gefördert werden.

In dem vom EU-Rat nun verabschiedeten Dokument zu „Horizon Europe“ wird im Cluster Gesundheit der explizite Bezug der Forschungsaktivitäten zu den von den Vereinten Nationen 2015 in New York verabschiedeten Nachhaltigkeitszielen hergestellt.

„Im Rahmen der Europäischen Säule sozialer Rechte ist festgelegt, dass jede Person das Recht auf rechtzeitige, sichere, qualitativ hochwertige und bezahlbare Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung hat. Das unterstreicht das Eintreten der Union für die von den Vereinten Nationen formulierten Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, bei denen es im Gesundheitsbereich darum geht, bis 2030 eine flächendeckende Gesundheitsversorgung für alle Menschen jeden Alters einzuführen und dabei niemanden zurückzulassen und vermeidbaren Todesfällen ein Ende zu setzen“, heißt es im Text.

Das spiegelt sich auch in dem im Februar von der Kommission verabschiedeten EU-Krebsplan wider, der dazu führen soll, dass jeder einzelne EU-BürgerZugang zu modernster Technik entlang seiner onkologischen Patient Journey bekommt.

Komplexe gesundheitspolitische Herausforderungen

In Verbindung mit dem Gesundheitsprogramm EU4Health stehen die Zeichen innerhalb von Horizon Europe auf das künftig optimierte und abgestimmte Handling komplexer und miteinander verknüpfter gesundheitspolitischer Herausforderungen seitens der EU-Mitgliedstaaten. Zur Erinnerung: Gesundheit ist bisher laut Statuten in der EU Ländersache.

Die Lösung der Probleme erfordere multidisziplinäre, technische und nichttechnische sektorübergreifende sowie transnationale Kooperationsansätze – auch bei Forschung und Innovation (FuI). „Im Rahmen der FuI-Tätigkeiten werden enge Verbindungen zwischen der Grundlagenforschung und der translationalen, der klinischen, der epidemiologischen, der ethischen, der ökologischen und der sozioökonomischen Forschung sowie zwischen diesen und der Regulierungswissenschaft hergestellt.

Sie werden sich auf Bereiche beziehen, in denen noch offener klinischer Bedarf besteht, beispielsweise bei seltenen oder schwer zu behandelnden Krankheiten (einschließlich Krebsformen wie Krebserkrankungen bei Kindern oder Lungenkrebs)“, heißt es im Ratsdokument.

„Eine Hebelwirkung entfalten“

Diese Tätigkeiten nehmen das kombinierte Fachwissen von Wissenschaftlern, Angehörigen der Fachberufe, Aufsichtsbehörden und Unternehmen in Anspruch und förderten deren Zusammenarbeit mit Gesundheitsdiensten, Sozialdiensten, Patienten, politischen Entscheidungsträgern und Bürgern, „damit öffentliche Mittel eine Hebelwirkung entfalten und die Ergebnisse in der klinischen Praxis und in den Gesundheitssystemen aufgegriffen werden, wobei den Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Gestaltung und Finanzierung ihrer Gesundheitssysteme Rechnung getragen wird.“

Das Potenzial der Pionier-Genom- und anderer Pionier-Multi-Omik-Forschung und der schrittweisen Einführung der personalisierten Medizin – die für die Behandlung einer Vielzahl nicht übertragbarer Krankheiten relevant ist – sowie der Digitalisierung im Gesundheits- und Pflegesektor solle voll ausgeschöpft werden, heißt es ergänzend.

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