Die schwarz-gelbe Koalition sieht sich auf der sicheren Seite: Das drohende Defizit für 2011 von elf Milliarden Euro ist abgewendet. Experten warnen, dass die finanziellen Probleme der GKV nur kurzfristig gelöst wurden.

Von Sunna Gieseke

Das war kein sehr guter Start ins Jahr 2010: Bereits Anfang des Jahres war klar, dass der GKV für 2011 ein Defizit von bis zu elf Milliarden Euro drohte. Grund dafür war unter anderem die Wirtschaftskrise. Ein konjunktureller Aufschwung war Anfang 2010 noch nicht einmal absehbar. Diese Vorhersagen des beim Bundesversicherungsamt angesiedelten Schätzerkreises setzte die gerade frisch gewählte schwarz-gelbe Koalition unter massiven Zugzwang: Denn Experten hatten - sollte nichts passieren - vor einer Pleitewelle bei den Krankenkassen gewarnt. Die Schere zwischen Einnahmen- und Ausgabenseite ging immer weiter auseinander. Schnell musste also eine Reform zusammengestrickt werden.

Inzwischen gibt sich Koalition siegessicher: Es werde für 2011 kein Defizit in der GKV geben - und zwar aufgrund ihrer Gesundheitsreform, bestehend unter anderem aus dem GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG) und dem Arzneimittelmarkt-Neuordungsgesetz (AMNOG).

 

Das Defizit ist abgewendet - aber nur vorerst, so Kritiker

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ist sich sicher: "Mit dem GKV-FinG ist es gelungen, das Gesundheitssystem zukunftsorientiert umzusteuern und den Solidaritätsgedanken zu stärken". Mit dem Gesetz sollen die Ausgaben stabilisiert und die Finanzierungsgrundlagen der GKV gestärkt werden. Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) feierte: "Das höchste, jemals vorhergesagte Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung mit geradezu griechischen Ausmaßen von elf Milliarden Euro wird nicht entstehen."

Ab dem 1. Januar wird Gesundheit für Versicherte vor allem eines: teuer. Der Beitragssatz wird von heute 14,9 Prozent auf 15,5 Prozent erhöht. Der Arbeitgeberanteil wird bei 7,3 Prozent festgeschrieben. Damit sollen der GKV zusätzlich 6,3 Milliarden Euro in die Kassen fließen. Künftige Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen sollen über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge finanziert werden. Ein Sozialausgleich soll vor Überforderung schützen. Auf der anderen Seite will Rösler die Ausgaben im System begrenzen. Mit dem AMNOG soll der Kostenanstieg bei Arzneien gebremst werden. Damit sollen jährlich zwei Milliarden Euro gespart werden.

Für seine Gesundheitsreform erntete Rösler Kritik von allen Seiten. Er setze nur die Kostendämpfungspolitik der letzten Jahre fort, so Experten. Zudem löse sie die finanziellen Probleme der GKV nicht langfristig, da auf kurzfristig wirksame Instrumente wie der Erhöhung des Beitragssatzes zurückgegriffen werde.

Streit herrscht auch nach wie vor um die Schuldfrage. Denn Koalition und Opposition werfen sich gegenseitig vor, das hohe Defizit verursacht zu haben. Die SPD weist den Vorwurf zurück, sie sei dafür verantwortlich. Überschüsse in der GKV fielen zwar niedriger aus als 2009, die SPD habe aber keine "Erblast" hinterlassen, sagte die Vize-Fraktionsvorsitzende der SPD, Elke Ferner. Ein "stattliches Erbe" werde von "Schwarz-Gelb verspielt".

Fakt ist: Die gesamte GKV - also Gesundheitsfonds und gesetzliche Kassen - erzielte im ersten Halbjahr 2010 mit einem Überschuss in Höhe von knapp 300 Millionen Euro ein nahezu ausgeglichenes Ergebnis. Den gesetzlichen Kassen geht dennoch langsam das Geld aus: Trotz inzwischen erholter Konjunktur hat sich der Überschuss der Kassen in den ersten neun Monaten auf 227 Millionen Euro verringert. Noch vor einem Jahr hatte das Plus bei 1,4 Milliarden Euro gelegen. Wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilte, wäre die GKV ohne Zusatzbeiträge einiger Kassen bereits jetzt ins Minus gerutscht. Die Einnahmen aus Zusatzbeiträgen haben sich bislang auf 463 Millionen Euro addiert.

Ausgaben in der GKV legten 2010 weiter zu

Die Ausgabenzuwächse für die ärztliche Behandlung fallen mit 3,7 Prozent deutlich geringer aus als im Vorjahr (7,4 Prozent). Die Ausgaben für Ärztehonorare sind im Vergleich zu 2009 um 600 Millionen Euro gestiegen. Die Kosten für die etwa 2100 Krankenhäuser wuchsen um rund 1,8 Milliarden Euro auf 44,18 Milliarden Euro (plus 4,5 Prozent). Zwischen den Kassenarten lassen sich Unterschiede feststellen: Ersatzkassen und Allgemeine Ortskrankenkassen konnten einen Überschuss von 254 beziehungsweise 180 Millionen Euro erzielen. Das BKK-System verzeichnete bis Ende September 2010 ein Defizit von 136 Millionen Euro.

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