Krankenkassen im Defizit

GKV-Finanzen: „Schere von Einnahmen und Ausgaben geht auf“

Krankenkassen erzielen ein Defizit von 1,3 Milliarden Euro im ersten Quartal. Die Leistungsausgaben wachsen teilweise zweistellig – doch die Zahlen gelten als wenig belastbar.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Die 105 gesetzlichen Krankenkassen haben in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres rund 1,3 Mrd. Euro mehr ausgegeben als eingenommen.

Die 105 gesetzlichen Krankenkassen haben in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres rund 1,3 Mrd. Euro mehr ausgegeben als eingenommen.

© stock.adobe.com / K.-U. Häßler

Berlin. Die gesetzlichen Krankenkassen haben im ersten Quartal ein Defizit von 1,3 Milliarden Euro erwirtschaftet. Damit bestätigt das Bundesgesundheitsministerium die vorab von der „Ärzte Zeitung“ gemeldeten Zahlen. Die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds haben demnach in den ersten drei Monaten um vier Prozent zugenommen, die Ausgaben jedoch um 5,6 Prozent.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bezeichnet die Quartalszahlen als „wenig aussagekräftig“. Man müsse sich darauf einstellen, dass die „Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben größer werden wird“. Belastbare Prognosen könnten erst im Herbst angestellt werden. Bereits im Rahmen des Konjunkturpakets hat sich die Bundesregierung entschlossen, den Bundeszuschuss von bislang 14,5 Milliarden in diesem Jahr um 3,5 Milliarden Euro zu erhöhen.

Reserven noch bei 18,3 Milliarden

Die Finanzreserven der Kassen belaufen sich trotz des Defizits auf 18,3 Milliarden Euro, sind aber äußerst heterogen zwischen den 105 Kassen verteilt. Statistisch entspricht diese Summe einem Durchschnitt von 0,83 Monatsausgaben. Die einzelnen Kassen sind gehalten, eine Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben vorzuhalten. Etliche Kassen liegen nur knapp über dieser Vorgabe: Ende 2019 verfügten elf Kassen nur über ein Finanzvermögen zwischen 0,26 und einer halben Monatsausgabe.

Der Gesundheitsfonds schloss das erste Quartal mit einem Defizit von 3,2 Milliarden Euro. Der Anstieg der beitragspflichtigen Einnahmen fiel mit 3,0 Prozent aber niedriger aus als in den Quartalen zuvor. Die Reserven im Fonds, die Mitte Januar noch 10,2 Milliarden Euro betrugen, werden voraussichtlich im Laufe des Jahres zum großen Teil abgeschmolzen. Grund sind verminderte Beitragseinnahmen in Folge der Pandemie, die gegenwärtig auf vier bis fünf Milliarden Euro taxiert werden.

Auf Einzelkassenebene dominiert bei den Finanzergebnissen die Farbe rot, nur die Landwirtschaftliche Krankenkasse verzeichnete ein ausgeglichenes Ergebnis. Die Ersatzkassen verbuchen mit 542 Millionen Euro das höchste Defizit. Es folgen das AOK-System (-435 Millionen), Betriebskassen (-198 Millionen), Innungskassen (-99 Millionen) und die Knappschaft (-58 Millionen). Beim vdek leitet sich ein erheblicher Teil des Defizits aus der Gründung eines Pensionsfonds einer Kasse ab.

Arzneimittelausgaben plus elf Prozent

Anders als in früheren Quartalen weist das AOK-System nicht mehr teils deutlich niedrigere Werte bei den Leistungsausgaben aus als die anderen Kassenverbände. So nehmen beispielsweise die Arzneimittelausgaben GKV-weit um 11,3 Prozent je Versicherten zu – das AOK-System liegt exakt im Durchschnitt, die Ersatzkassen bei 11,0 Prozent.

Auch andere Leistungsposten wachsen überdurchschnittlich stark: so die Ausgaben für Krankengeld (11 Prozent) oder Heilmittel (10 Prozent). Der unterdurchschnittliche Ausgabenanstieg bei Krankenhäusern (2,35 Prozent je Versicherten) muss vor dem Hintergrund der Sondersituation im März bewertet werden, als viele Versicherte elektive Eingriffe abgesagt haben. Als statistisch ebenfalls nicht valide gilt der Zuwachs bei Ärztehonoraren (4,1 Prozent je Versicherten), wo zum Stichtag noch keine Abrechnungsdaten vorgelegen haben.

Die Kassen bleiben trotz der angespannten Finanzsituation im Schnitt mit ihren Zusatzbeiträgen unter dem vom BMG festgesetzten Zusatzbeitragssatz von 1,1 Prozent. Er betrug – wie schon im Vorjahr – 1,0 Prozent.

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