GOÄ-Reform - einfach mal aussitzen

Das Zeitfenster für die GOÄ-Novelle schließt sich langsam: Doch vor allem die Privatversicherer spielen offenbar auf Zeit. Unter den Fachärzten macht sich langsam Nervosität breit.

Von Norbert Fischer Veröffentlicht:
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BERLIN. Die Verhandlungen zur Novellierung der GOÄ kommen nicht voran. Der PKV-Verband spielt auf Zeit. Die Fachärzte werden allmählich unruhig und befürchten, dass dieses Projekt in dieser Legislaturperiode noch scheitern könnte.

Die Zeit drängt. Wenn es nicht gelingt, noch in diesem Jahr die neue GOÄ unter Dach und Fach zu bringen, dann sieht es für die Fachärzte sehr trübe aus.

Die Existenz so mancher Facharztpraxis steht und fällt mit den Umsätzen aus der Privatpraxis. Der Anteil der Privateinnahmen am Gesamtumsatz liegt im Durchschnitt aller Fachgruppen bei über 25 Prozent. Die Orthopäden verzeichnen einen Anteil von 37,7 Prozent.

Es ist unverkennbar, dass der PKV-Verband und die Vertreter der Beihilfestellen kein ausgeprägtes Interesse daran haben, die GOÄ-Verhandlungen zu forcieren und zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.

Die Verzögerungstaktik des PKV-Verbandes ist insofern wenig plausibel, als die privaten Krankenkassen ein hohes Interesse daran haben sollten, das Geschäftsmodell einer umfassenden privaten Gesundheits-Vollversorgung zu stabilisieren und die niedergelassenen Ärzte dabei als Partner zu erhalten.

Die letzte Runde von Beitragserhöhungen hat den PKV-Unternehmen geschadet und die Zahl der "Nichtzahler" im Versichertenbestand deutlich erhöht.

Wissen alle, dass sie in einem Boot sitzen?

Die Privatassekuranz müssen damit rechnen, bei neuen politischen Konstellationen in Berlin in einer "Bürgerversicherung" von den gesetzlichen Krankenkassen "vereinnahmt" zu werden.

Die PKV-Unternehmen und die Ärzte befinden sich bei diesen Konstellationen gesundheitspolitisch "in einem Boot". Diese gemeinsame Interessenlage ist bei der aktuellen Verhandlungsführung des PKV-Verbandes noch nicht zu erkennen.

Die Forderungen der Ärzte zum Einstieg in die formellen GOÄ-Verhandlungen liegen seit langem auf dem Tisch:

  • Aktualisierung des Leistungsverzeichnisses mit Anpassung an den medizinisch-technischen Fortschritt.
  • Angemessene Vergütung der ärztlichen Grundleistungen (z.B. Beratungen, Untersuchungen, Besuche).
  • Einbeziehung der "Analogen Bewertungen" in die GOÄ.
  • Keine Übernahme der Vergütungsregelungen des EBM,
  • Betriebswirtschaftliche Kalkulation der Bewertungen unter Berücksichtigung des ärztlichen Aufwandes und der Praxiskosten.
  • Keine Öffnungsklausel für Einzelverträge der PKV-Unternehmen mit einzelnen Ärzten.
  • Erhöhung des Punktwertes - gegebenenfalls mit einer Preisanpassungsklausel.
  • Aufrechterhaltung einer "Spannenregelung" zur Berücksichtigung des individuellen diagnostischen und therapeutischen Aufwandes bei der Leistungserbringung.
  • Kontinuierliche Fortentwicklung des Leistungsverzeichnisses.

Gerade die niedergelassenen Fachärzte haben ein vitales Interesse daran, dass ihre Leistungen wenigstens bei der Behandlung der Privatpatienten angemessen vergütet werden.

These der Kostenexplosion längst widerlegt

Über die Anpassung der Vergütung und über die Neubeschreibung des ärztlichen Leistungsspektrums hinaus müssen auch die spezifischen Bedingungen der ambulanten Medizin abgebildet werden, fordert Dr. Wolfgang-Axel Dryden, in einem Schreiben an den Präsidenten der Bundesärztekammer (BÄK).

Dryden: "Die Kolleginnen und Kollegen bieten im Gegensatz zur Klinik nicht nur Facharztstandard, sondern die durchgängige persönliche Leistungserbringung durch einen Facharzt."

Der zentrale Streitpunkt bei der GOÄ-Novellierung ist die notwendige Anhebung des Punktwertes. Hier gibt es seit Jahren einen "Preisstopp". Seit 1983 wurde der Punktwert nur um 14 Prozent angehoben.

Die Behauptung der PKV, es gebe bei den privatärztlichen Leistungen eine "Kostenexplosion" ist längst widerlegt. Tatsächlich liegt der Anteil der ambulanten privatärztlichen Leistungen seit 15 Jahren durchschnittlich konstant bei etwa 24 Prozent.

Die PKV-Unternehmen haben in den letzten Jahren davon profitiert, dass auf die notwendige Punktwertanpassung verzichtet wurde. Hier gibt es jetzt einen deutlichen Nachholbedarf.

"Mit uns gibt's nur dann eine neue GOÄ, wenn der Zielkorridor beim Honorarplus zweistellig ist", hat Dr. Theodor Windhorst, Vorsitzender des GOÄ-Ausschusses der Bundesärztekammer erklärt.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 23.04.201218:32 Uhr

Im Wartezimmer der Bundesärztekammer

Zur Systematik der Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte (GOÄÄ): Technik-, Interventions- und Laborleistungen werden protegiert. Hausärztlicher Erfahrungs-, Beratungs-, Untersuchungs-, Koordinations- und Erörterungsumfang wird nicht adäquat abgebildet.
• der GOÄ-Punktwert wurde in 29 Jahren (1983-2012) um 14 % gesteigert
• kalkulatorischer Punktwert 10 (1983) und zuletzt 11,4 Pfennige (1996)
• keine Preiserhöhung, Inflations- und Kostenausgleich mit der Euro-Umstellung seit 1.1.2002
O-Ton BÄK "Die Bundesärztekammer habe der Politik einen Vorschlag für eine solide durchkalkulierte Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zur Verfügung gestellt. Sie arbeite zudem mit Hochdruck an einem gemeinsamen Reformansatz mit der privaten Krankenversicherung". Und wenn Sie nicht gestorben sind, verhandeln sie noch bis heute ohne Ergebnis.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund


Dr. Uwe Wolfgang Popert 23.04.201209:24 Uhr

Hausärzte benachteiligt?

In der bisherigen GOÄ sind technische Leistungen besonders gut dotiert. Zur Freude der Spezialisten - siehe oben. Wer als Arzt bereits jetzt besonders gut verdient, erreicht dies in der Regel mit der GOÄ. Mit persönlichen Leistungen der Grundversorgung wird man nicht reich.
Wie aus gut informierten Kreisen verlautet, wird sich daran in dem neuen Entwurf der BÄK wenig ändern - im Gegenteil, die Wunschliste nach Diversifizierung ist deutlich länger geworden.
Eine hausarztzentrierte Versorgung wird nicht adäquat abgebildet.
Auch wenn in Zukunft auf die Multiplikatoren zugunsten eines Festsatzes verzichtet werden soll, bringt der Basis keine ersichtlichen Vorteile, denn die geplanten Ausweitungen im Spezialistenbereich werden irgendwo kompensiert werden müssen, damit der Fiskus zustimmen kann (denn dieser fürchtet ja die Kostensteigerung bei seinen Beamten).

Kurzum: wer schon jetzt viel verdient, würde noch mehr bekommen.
So gesehen, wäre von der bisher vorbereiteten GOÄ-Reform keine Verbesserung der dringendsten gesundheitspolitischen Probleme zu erwarten.

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