Senioren

Gefährliche Arzneien auf jedem fünften Rezept

20 Prozent aller Rezepte, die Hausärzte ihren Patienten über 65 Jahren verschreiben, sind für Senioren ungeeignet. Oftmals enthalten sie Hoch-Risiko-Medikamente, warnen Forscher.

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Senioren erhalten von ihren Hausärzten in vielen Fällen Hoch-Risiko-Medikamente, warnen Forscher.

Senioren erhalten von ihren Hausärzten in vielen Fällen Hoch-Risiko-Medikamente, warnen Forscher.

© Yanik Chauvin / fotolia.com

AMSTERDAM (rb). In einem systematischen Review haben Forscher die Medikation bei Senioren unter die Lupe genommen (PLoS ONE 2012; 7: e43617).

Auf 20 Prozent aller Rezepte, die Patienten über 65 Jahren von ihren Hausärzten erhalten, stehen danach nicht geeignete bis gefährliche Arzneien.

Das Sedativum Diphenhydramin und das Antidepressivum Amitriptylin sind darunter die am häufigsten fälschlich verschriebenen Hoch-Risiko-Medikamente.

Propoxyphen am häufigsten falsch verschrieben

Die Frage, ob eine Verordnung als geeignet oder ungeeignet einzustufen ist, entschieden die Forscher nach der Beers-Liste, benannt nach dem US-amerikanischen Geriater Mark Beers.

Dabei handelt es sich um eine Aufstellung von Medikamenten, die Patienten über 65 Jahren nicht erhalten sollten. Die derzeit noch aktuelle Version stammt aus dem Jahr 2003.

Ungeeignet ist ein Medikament, das wegen Ineffektivität oder hohen Risikos unerwünschter Wirkungen solchen Patienten generell oder bei bestimmten Begleiterkrankungen nicht gegeben werden sollte. Dabei wird noch unterschieden, ob der Schweregrad der zu erwartenden Nebenwirkungen niedrig oder hoch ist.

Der am häufigsten (4,5 Prozent der Verordnungen) fälschlich verschriebene Wirkstoff war Propoxyphen. Der Opiatagonist ist inzwischen praktisch weltweit vom Markt genommen, soll aber in Australien noch erhältlich sein.

Es folgten der Alphablocker Doxazosin (vier Prozent), das als Sedativum und Antiemetikum eingesetzte Antihistaminikum Diphenhydramin (3,3 Prozent) und das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin (3,2 Prozent).

Die Raten für die einzelnen Substanzen scheinen zwar relativ gering zu sein. In der Summe aber erwiesen sich 20 Prozent der Verschreibungen als nicht angemessen.

Diphenhydramin - Substanz mit hohem Risiko

Diphenhydramin und Amitriptylin gelten als die am häufigsten verordneten nicht geeigneten Substanzen mit hohem Risiko, so die Forscher. Diese Medikamente seien gute Ziele für Maßnahmen, die Situation zu verbessern, schreiben sie.

Sie denken dabei an rechnergestützte Algorithmen für die klinische Entscheidungsfindung.

Generell müsse man fokussiert und systematisch intervenieren, um die Verschreibungspraxis mit Blick auf die Patientengruppe der über 65-Jährigen zu verbessern.

Quelle: www.springermedizin.de

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 05.09.201213:49 Uhr

Geriatrisch-pharmakologisches Geisterhaus!

Was diese niederländische Arbeitsgruppe hier publiziert hat, ist eine an den Haaren herbeigezogene Geisterbeschwörung. "We systematically searched Ovid-Medline and Ovid-EMBASE from 1950 and 1980 respectively to March 2012" übersetzt Google so herrlich mit "Wir systematisch untersucht Ovid-Medline und Ovid-EMBASE von 1950 bzw. 1980 bis März 2012". Eine allein literaturgestützte, weltweite Datenauswertung nach willkürlicher Stichworteingabe ist aber keine kreative, metaanalytisch wissenschaftliche Leistung.

Wie stark hier neben der Spur wissenschaftlicher Erkenntnis der letzten 62 Jahre (sic!) gearbeitet und fehlbeurteilt wurde, wird klar, wenn die Autoren meinen: "Medications with largest median rate of inappropriate medication prescriptions were propoxyphene 4.52(0.10–23.30)%, doxazosin 3.96 (0.32 15.70)%, diphenhydramine 3.30(0.02–4.40)% and amitriptiline 3.20 (0.05–20.5)% ..." (PLoS ONE 2012; 7: e43617).

Propoxyphen findet man in der aktuellen Roten Liste nicht mal unter Wirkstoffen - so mausetot ist diese Wirksubstanz alleine in Deutschland! Ohne entsprechende Literaturrecherche konnten die Studienautoren auch nicht herausfinden, dass in den USA lt. einem FDA NEWS RELEASE vom 19.11.2010 die Firma Xanodyne gedrängt wurde, ihre Propoxyphene-Präparate Darvon® und Darvocet® ultimativ vom Markt zu nehmen. Seit 1978 hatte die FDA nach eigenen Angaben schon zwei Aufforderungen zur Marktrücknahme bekommen. Vgl.
http://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/ucm234350.htm

Bei der zweiten inkriminierten Substanz Doxazosin handelt es sich um einen urologisch verwendeten Alpha-Blocker, der männliche Miktionsprobleme lösen soll. Was die Lebens- und Gefährdungssituation älterer Männer verbessern soll, wenn sie nicht mehr richtig ''pinkeln'' können, blieb den Studienautoren am grünen Tisch völlig verborgen.

Die dritte beanstandete Substanz, das Sedativum Diphenhydramin, ist für Deutschland in der Tat ein Skandal. Diese tatsächlich für Ältere gefährliche Substanz wird hierzulande o h n e ärztliche Kontrollmöglichkeit oder Rezeptpflicht in Apotheken frei und unbekümmert abgegeben: Unter den wohlklingenden Namen "Vivinox sleep®" 50 mg, 20 St. für 7,15 € oder "Halbmond®" 50 mg, 20 St. für 7,08 €. Die Wirksubstanz steht natürlich auf der ''Priscus-Liste'' der für Senioren potentiell gefährlichen Substanzen! Aber die Zuständigen im BfArM, die Marktrücknahmen oder Rp.-Pflicht erwirken könnten, schlafen offensichtlich den Schlaf des Gerechten unter dem Halbmond?

Auf die Diskussion über Amitriptylin ist die Kollegin Birgit Bauer erfreulicherweise schon eingegangen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Birgit Bauer 03.09.201217:11 Uhr

Was heißt hier ungeeignet !

Ich hätte gern die genaue Definition von Hochrisikomedikamenten. Wie immer wird in den Artikeln mit dem Durchschnitt argumentiert.
Als Schmerztherapeutin möchte ich auch bei den über 65-jährigen nicht bei allen aufs Amitriptylin verzichten. Bereits mit 10-25mg zur Nacht zeigen die meisten Pat. einen deutlichen Rückgang der Hypästhesien beim neuropatischen Schmerz und ein deutlich verbessertes Schlafverhalten und dass beim überwiegenden Teil der Pat. ohne NW. Treten NW auf, dann muß eben auf eine andere Medikation zurückgegriffen werden. Ich denke auch bei den oben benannten Medikamenten ist die Dosierung die Schwierigkeit bei altersbedingter Einschränkung von Nieren- und Leberfunktion. Das eigentliche Problem ist doch die unreflektierte Parallelmedikation unterschiedlicher Facharztbereiche.
M.f.G. B.Bauer

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