Hintergrund

Gefangen in der PKV

Wollen immer mehr Privatversicherte in gesetzliche Kassen flüchten, wie zuletzt zu lesen war? Quatsch, so die PKV. Fakt ist: Der Weg zurück in die GKV ist schwer. Die meisten Privatversicherten hätten keine Chance, sagen Verbraucherschützer.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Der Schalter klemmt: Der Weg von der PKV zurück in die GKV ist meistens unmöglich.

Der Schalter klemmt: Der Weg von der PKV zurück in die GKV ist meistens unmöglich.

© cruffpics / fotolia.com

Verbraucherschützer fordern eine Pflichtberatung für Versicherte, die von der gesetzlichen (GKV) in die private Krankenversicherung (PKV) wechseln wollen.

Nach wie vor sei vielen PKV-Kunden nicht bewusst, dass sie nur in wenigen Ausnahmefällen später wieder in die GKV zurückkehren können, sagt Ilona Köster-Steinebach, Referentin für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, der "Ärzte Zeitung".

"In den Verbraucherberatungsstellen taucht die Frage nach einer möglichen Rückkehr in die GKV immer wieder auf", sagt sie.

Das sei gerade dann der Fall, wenn die Menschen die gestiegenen Beiträge nicht mehr bezahlen könnten. Die meisten PKV-Versicherten hätten aber keine Möglichkeit, sich wieder bei einer gesetzlichen Krankenkasse zu versichern. "Auf diese und andere Probleme müsste eine unabhängige Stelle die Verbraucher vor dem Abschluss einer privaten Krankenversicherung aufmerksam machen", sagt Köster-Steinebach.

PKV-Verband: Keine Massenflucht

Nach einem Bericht der Zeitschrift "Der Spiegel" wollen zunehmend Kunden von der PKV zurück in die GKV. Mit Hilfe von Tricks könne dies einigen sogar gelingen. In dem Bericht verweisen ungenannte Kassenmanager auf die Möglichkeit, bei einer Anstellung eine geringere Stundenzahl oder ein niedrigeres Gehalt zu vereinbaren, um unter der Versicherungspflichtgrenze zu bleiben.

Das könne höchstens im Einzelfall eine Lösung sein, betont Köster-Steinebach. "So etwas ist immer auch mit Risiken verbunden." Schließlich könne sich der Arbeitnehmer nicht darauf verlassen, dass er nach einiger Zeit tatsächlich wieder eine volle Stelle oder höheres Gehalt bekommt.

Ohnehin gilt: Wer mehr als die Versicherungspflichtgrenze verdient und freiwillig in die GKV zurück will, muss mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sein. Ein kurzfristiger Gehaltsverzicht nutzt also nichts, um langfristig die Tür zur gesetzlichen Kasse wieder aufzustoßen.

Der PKV-Verband weist den Eindruck einer Massenflucht bei den Privatversicherern ohnehin zurück. "Jedes Jahr wechseln deutlich mehr Menschen aus der gesetzlichen in die private Krankenversicherung als in umgekehrter Richtung", sagt Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach.

Leienbach: Positiver Saldo der PKV

Gegenteilige Behauptungen seien absurd und nachweislich falsch. Zwar lägen noch keine abschließenden Zahlen für 2011 vor. Aber nach Zwischenberichten könnte der Zugewinn der PKV im vergangenen Jahr sogar noch gewachsen sein.

2010 lag der Saldo aus Sicht der Privaten bei plus 74.500, 2009 waren es 141.700. Die Zahlen seien seit jeher Schwankungen unterworfen, der Saldo zugunsten der PKV aber immer positiv gewesen, so Leienbach.

Er verweist darauf, dass es für den Wechsel zwischen PKV und GKV klare gesetzliche Spielregeln gibt. "Wenn eine Krankenkasse als öffentlich-rechtliche Körperschaft Beihilfe zur Umgehung des Sozialgesetzbuchs leisten sollte, wäre dies ein Skandal", sagt er.

Möglich wird der Übertritt zu einer gesetzlichen Kasse, wenn ein Privatversicherter als Angestellter weniger als die Versicherungspflichtgrenze verdient, wenn er arbeitslos wird oder vor dem 30. Lebensjahr ein Studium aufnimmt. Ab dem 55. Lebensjahr kann niemand mehr in die GKV, der zuvor fünf Jahre lang nicht gesetzlich versichert war.

AOK: Nur noch wenige wechseln in die PKV

Die AOK Rheinland/Hamburg registriert zurzeit überdurchschnittlich viele Anfragen von PKV-Kunden nach einem möglichen Wechsel, berichtet der Vorstandsvorsitzende Wilfried Jacobs.

"Die Versicherten kommen aber nur in wenigen Fällen aus der PKV heraus", weiß er. Gerade deshalb sollte sich jeder den Wechsel ins Privatsystem genau überlegen, empfiehlt Jacobs.

Er stellt bei seiner Kasse neben dem gestiegenen Interesse an einer Rückkehr einen weiteren Trend fest: Es gibt kaum noch Kunden, die nach Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze in die PKV wechseln. "Lange Zeit hatten wir pro Monat rund 40 Versicherte, die in die PKV gingen, jetzt sind es kaum noch welche."

Nach Angaben von Jacobs war es richtig, dass der Gesetzgeber der früher häufig geübten Praxis einen Riegel vorgeschoben hat, als Gutverdiener in der PKV und als Rentner in der GKV versichert zu sein.

Angesichts der vielen Härtefälle, bei denen Versicherte ihre PKV-Beiträge nicht mehr bezahlen können, seien aber Änderungen notwendig. "Man sollte überlegen, ob Versicherte bei einer Rückkehr in die GKV ihre Alterungsrückstellungen mitnehmen könnten", schlägt er vor.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Verhängnisvolle Leichtgläubigkeit

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