Streit

Geld oder Infrastruktur – was lockt mehr auf's Land?

Hindern gedeckelte Budgets, Ärzte aufs Land zu gehen, oder sind es die oft ungünstigen Rahmenbedingungen? Zwischen Ärztevertretern und Politikern sind die Ansichten divers.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:

WIESBADEN. Marjana Schott von der hessischen Linkspartei kann als Oppositionspolitikerin den Finger unberührt von Regierungszwängen in die Wunde legen: "Wir versuchen etwas aufs Land zu bekommen, was wir aber gar nicht haben", sagte sie bei der Veranstaltung "Auslaufmodell Landarzt?" des Bündnisses "heilen & helfen" (ein Zusammenschluss der Körperschaften der hessischen Heilberufe außer der KV) in Wiesbaden.

"Wir reduzieren die Ausbildungsplätze und wundern uns, dass wir kein Fachpersonal haben", konstatierte die stellvertretende Vorsitzende ihrer Fraktion im Wiesbadener Landtag mit Blick auf das Verhältnis von Medizinstudenten und niedergelassenen Ärzten.

Wobei ein Mehr an Ausbildung in ihren Augen ja offensichtlich auch nicht gewollt ist: "Wir haben den Numerus clausus, damit wir weniger und nicht mehr Medizinstudenten haben."

Praktisches Studium als Lösung?

Ihr Kollege von der Regierungsfraktion CDU, Ralf-Norbert Bartelt, sieht dies differenzierter. Der Dermatologe verweist auf Aussagen von Medizinern, es bräuchte zehn Prozent mehr Studienplätze, wohingegen "Zahlen der Fakultäten anderes sagen".

Für ihn sei prioritär, das Medizinstudium praktischer zu gestalten und die Allgemeinmedizin zu stärken. Denn "es nutzt nichts, mehr Ärzte auszubilden, wenn diese dann doch nicht aufs Land gehen".

Budgetierung als Pferdefuß

Dr. Michael Frank, Präsident der Landeszahnärztekammer Hessen, sieht die Budgetierung als großes Hindernis für die Niederlassung auf dem Land. "Wenn da keiner ran geht, können wir die Probleme nicht lösen." Zumal in Hessen im Ländervergleich die Budgetierung Vertragsärzte am heftigsten treffe, ergänzte Dr. Jürgen Glatzel, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer.

Dem widersprach Marcus Bocklet von den mitregierenden Grünen energisch. Die Budgetierung sei nicht der Hauptgrund für den Nachwuchsmangel auf dem Land, vor allem die Rahmenbedingungen seien das Hauptproblem.

René Rock, Vorsitzender der Oppositionsfraktion FDP, hingegen sieht sehr wohl auch die Budgets als ausschlaggebend an: "Nur bessere Rahmenbedingungen auf dem Land reichen nicht." Grundsätzlich befürworte er Budgets, allerdings sei zu überlegen, ob manche Bereiche herausgenommen werden sollten und die Geldverteilung verbessert werden könne.

Auch CDU-Mann Bartelt will an den Honorardeckeln nicht rütteln. "Man wird immer Budgets brauchen, wenn man eine Stabilität der Kassenbeiträge möchte." Eine völlige Freistellung würde zur Kostenexplosion führen.

Die SPD-Sozialpolitikerin Dr. Daniela Sommer sieht andere finanzielle Gründe für die Land-Unlust. Zwei bis drei Monatsgehälter reichten als Starthilfe nicht aus, glaubt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, außerdem schreckten Regressforderungen wie gerade in Nordhessen geschehen ab. Und die steigende Bürokratie: "Die Medizinstudenten sagen mir, ‚wir haben doch nicht BWL studiert!‘"

Vielleicht klappt es ja aber doch über den Weg zusätzlicher Studienplätze – das glaubt zumindest Dr. Heike Winter, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Hessen. "Mehr Studienplätze in der Medizin bringen was, unsere Zahlen zeigen das", sagt Winter mit Hinweis auf mehr ausgebildete Psychotherapeuten als der Bedarf vermeintlich ausweist. Die Folge: "Die Psychotherapeuten gehen aufs Land, weil sie keine Chance auf einen Sitz in der Stadt haben."

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums v.l.n.r.: Professor Karl Broich (BfArM), Dr. Jürgen Malzahn (AOK-Bundesverband), Dr. Christine Mundlos (ACHSE e.V.), Hauke Gerlof (Ärzte Zeitung), Dr. Johanna Callhoff (DRFZ), Professor Christoph Schöbel (Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen), Privatdozent Dr. Christoph Kowalski (Deutsche Krebsgesellschaft), Dr. Peter Kaskel (Idorsia)

© Thomas Kierok

ICD-11: Die Zeit ist reif für die Implementierung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Idorsia Pharmaceuticals Germany GmbH, München
Abb. 1: Bei erfolgreich therapierter Sialorrhö ist Teilhabe wieder leichter möglich

© Olesia Bilkei / stock.adobe.com [Symbolbild]

Glycopyrroniumbromid bei schwerer Sialorrhö

Wirtschaftliche Verordnung durch bundesweite Praxisbesonderheit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Proveca GmbH, Düsseldorf
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!