Sachsen

Generationswechsel an der Kammerspitze

Nach 16 Jahren stellte sich Kammerpräsident Professor Jan Schulze nicht mehr zur Wahl. Er warnte vor Ökonomisierungstendenzen in der Medizin. Sein Nachfolger im Amt, der Allgemeinarzt Erik Bodendieck, griff die Mahnung auf.

Von Luise Poschmann Veröffentlicht:
Professor Jan Schulze (Mitte) trat nicht mehr an, Erik Bodendieck (li.) wurde zu seinem Nachfolger gewählt.

Professor Jan Schulze (Mitte) trat nicht mehr an, Erik Bodendieck (li.) wurde zu seinem Nachfolger gewählt.

© Poschmann

DRESDEN. Deutliche Worte gegen den Trend zur Ökonomisierung in der Medizin hat Professor Jan Schulze in seinem letzten Bericht als Präsident der Sächsischen Landesärztekammer gefunden.

"Ärzte sehen sich fachfremden Kontrollinstanzen ausgesetzt, die medizinische Entscheidungen beurteilen und zum Teil aus fiskalischen Gründen zu Ungunsten des Patienten auslegen", warnte der 72-Jährige am Freitag in Dresden und forderte einen Richtungswechsel.

Die Rolle des Arztes werde in solchen Strukturen "karikiert", zugleich würden ärztlich-ethische Maßstäbe reduziert, fügte er hinzu.

Die Politiker würden ihren Auftrag zu Reformen missverstehen, wenn sie immer nur noch mehr Gesetze und Kontrollinstanzen installierten. "Wo bleibt da die Therapiefreiheit? Welchen Stellenwert genießt die ärztliche Indikation?", fragte Schulze.

Bei jedweder Standardisierung ärztlichen Handelns müsse die Umsetzung ausschließlich beim behandelnden Arzt verbleiben. Zugleich sei es nicht die Aufgabe der Ärzte, "die ökonomischen Stellschrauben" zu justieren, betonte Schulze.

Nach 16 Jahren an der Spitze der Ärztevertretung hatte Schulze nicht für eine weitere Amtszeit kandidiert, am Freitag wurde er zum Ehrenpräsidenten ernannt.

Er appellierte an seine Kollegen, ihrer "ethischen Verpflichtung" treu zu bleiben. Die Ärztekammer müsse mit dazu beitragen, die moralischen Kernkompetenzen in die Medizin zurückzuholen.

Bodendieck stellt Ethik in Vordergrund

Ein Schwerpunkt, den sich auch der neu gewählte Präsident und bisherige Vizepräsident Erik Bodendieck gesetzt hat.

Die Ethik in der Medizin stehe für ihn an erster Stelle, sagte der 48 Jahre alte Allgemeinmediziner aus Wurzen. Deshalb müsse das "Problem der Gesundheitsökonomie und der Kommerzialisierung" angegangen werden, ob im Krankenhaus oder in der Arztpraxis. Dazu sei unabdingbar, dass die Sektoren zusammenarbeiten.

Ein Appell für Geschlossenheit in der Ärzteschaft, die sich aber nicht nur auf die Humanmedizin beschränken muss, wie durch die Verleihung der "Hermann-Eberhard-Friedrich-Richter-Medaille" an den Tierarzt Dr. Hans-Georg Möckel deutlich wurde.

Er wurde für sein langjähriges Engagement in seiner Funktion als Mitglied des Verwaltungsausschusses der Sächsischen Ärzteversorgung geehrt.

Auch Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) mahnte, die Ärzteschaft integrativ und nicht immer in Einzelteilen zu betrachten.

Aus Spaltungen in der Vergangenheit seien "eine Reihe von Nachteilen" erwachsen - etwa bei der grenzüberschreitenden Forschung, die nicht so weit entwickelt sei, wie sie sein könnte, sagte Biedenkopf in seinem Festvortrag.

Besonders der demografische Wandel mache es nötig, Kräfte zu bündeln, etwa durch Ärztehäuser. Dabei dürften Spezialisten keine Angst vor der Kontrolle durch andere Spezialisten haben, sagte Biedenkopf.

Der demografische Wandel sei eine "Aufforderung, neu zu denken". Neue Wege könnten aber nur gefunden werden, "wenn wir den Mut haben, die alten Wege zu verlassen".

Ärztekammer Sachsen: Bodendieck neuer Präsident

Der Allgemeinmediziner Erik Bodendieck ist neuer Präsident der Sächsischen Landesärztekammer.

Mit großer Mehrheit wählten die Mandatsträger den bisherigen Vizepräsidenten am Freitag zum Nachfolger von Professor Jan Schulze, der nach 16 Jahren an der Spitze der sächsischen Ärztevertretung nicht erneut kandidiert hatte.

Der 48 Jahre alte Bodendieck erhielt 70 Stimmen, es gab zwölf Gegenstimmen und sieben Enthaltungen. Bodendieck war seit 2007 Vizepräsident der der Kammer.

Erstmals wurden zwei neue Vizepräsidenten bestimmt: Die Meißner Amtsärztin Petra Albrecht und der Chefarzt für Innere Medizin an der Pleißental-Klinik, Dr. Rainer Kobes.

Als erste Amtshandlung ernannte Bodendieck seinen Vorgänger Schulze zum Ehrenpräsidenten der Sächsischen Landesärztekammer. (lup)

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