Gesundheitskompetenz

Nationales Gesundheitsportal soll Mitte 2020 starten

Patienten stehen der Flut an Gesundheitsinformationen – gerade im Internet – oft ratlos gegenüber. Die damit konfrontierten Ärzte müssen Fehlinfos häufig korrigieren. Das Nationale Gesundheitsportal, das dieses Jahr noch starten soll, will dies ändern.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Evidenzbasierte Infos aus einem Nationalen Gesundheitsportal sollen künftig die Gesundheitskompetenz der Bürger verbessern helfen.

Evidenzbasierte Infos aus einem Nationalen Gesundheitsportal sollen künftig die Gesundheitskompetenz der Bürger verbessern helfen.

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Berlin. Fehlende Gesundheitskompetenz kommt die Gesellschaft teuer zu stehen. Zwischen neun und 15 Milliarden Euro gingen dadurch dem Gesundheitswesen in Deutschland Jahr für Jahr verloren, berichteten Teilnehmer der Fachtagung „Gesundheitskompetenz im digitalen Zeitalter“ am Dienstag in Berlin. Das sind etwa zwischen 0,6 und einem kompletten Beitragssatzpunkt.

Studien zeigten, dass mehr als die Hälfte der Menschen in Europa -nur über eingeschränktes Wissen über das Gesundheitssystem, den Zugang zum Gesundheitssystem und medizinische Sachverhalte verfügten. Einer Untersuchung der Universität Bielefeld zufolge liegt Deutschland demnach mit 44 Prozent Menschen mit eingeschränkter und weiteren zehn Prozent der Menschen mit unzureichender Gesundheitskompetenz sogar unter dem europäischen Durchschnitt.

Lebensgefahr durch Leseschwäche

Konkret gefährdet sind die zwölf Prozent der erwerbsfähigen Menschen in Deutschland, die nicht richtig lesen und schreiben können. Hochgerechnet sind das etwa 6,2 Millionen. Diesen Wert nennt die LEO-Studie der Universität Hamburg. Für sie haben der AOK Bundesverband und die Stiftung Lesen in ihrem Projekt „HEAL – Health Literacy im Kontext von Alphabetisierung und Grundbildung“ Empfehlungen veröffentlicht. So solle das Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Förderschwerpunkt auflegen. „Wenn Menschen Beipackzettel eines Medikamentes nicht verstehen, weil sie nicht lesen können, so kann dies gesundheitsschädliche Folgen haben“, sagt dazu Dr. Kai Kolpatzik, Präventionsexperte im AOK-Bundesverband. Für Allergiker, die die auf Packungen angegebenen Inhaltsstoffe von Lebensmitteln wegen einer Lese-Rechtschreibschwäche nicht identifizieren können, bestehe sogar Lebensgefahr. Außer Grundbildungsangeboten für die betroffenen Menschen seien deshalb auch laienverständliche Darstellungen auf Beipackzetteln und anderen medizinisch relevanten Materialien notwendig, heißt es bei HEAL.

Umfragen haben zudem ergeben, dass Arztgespräche im Schnitt lediglich fünf bis acht Minuten dauern, dass Patienten oft kaum die Hälfte dessen verstehen, was ein Arzt ihnen zu vermitteln versucht und dass sich viele von der Flut der Informationen im Netz überfordert fühlen.

Digitalisierung ist Teil des Problems

Die Digitalisierung verschärfe diese Situation für Ärzte noch, hieß es bei der Fachtagung. Eine Bertelsmann-Studie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Hälfte der niedergelassenen Ärzte es problematisch findet, wenn sie sich mit Patienten auseinandersetzen müssen, die vor dem Arztbesuch im Internet recherchiert haben. In der Folge müssten viele Fehlinformationen aufwändig korrigiert werden.

Gleichwohl setzt die Bundesregierung vor allem auf die Digitalisierung, um Gesundheitskompetenz zu fördern. Ihrer Auffassung nach erleichtere Digitalisierung den Zugang zum System.

Gesundheitsportal mit evidenzbasierten Infos

Mitte des Jahres soll das Nationale Gesundheitsportal als Pilotportal an den Start gehen, kündigten Regierungsvertreter bei der Fachtagung in Berlin an. Dieses Portal solle der verwirrenden und sich oft widersprechenden Vielfalt an Aussagen im Internet qualitätsgesicherte und evidenzbasierte Informationen entgegensetzen. Als Partner zu Beginn seien das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das Deutsche Krebsforschungszentrum und das Robert Koch-Institut gewonnen worden.

Der „Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz“ wurde 2018 aufgelegt. Er ist ein Projekt der Universität Bielefeld und der Hertie School of Governance in Berlin, gefördert unter anderen von der Robert Bosch Stiftung und dem AOK Bundesverband.

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