Schutzbrief vorgestellt
Giffey: „Genitalverstümmelung ist schlimme Menschenrechtsverletzung“
Die Bundesregierung will entschiedener gegen weibliche Genitalverstümmelung vorgehen. Helfen soll ein neuer Schutzbrief, den Familienministerin Franziska Giffey vorgestellt hat. Das Dokument soll Frauen auch im Ausland besser schützen.
Veröffentlicht:Berlin. Die Bundesregierung will den Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung verstärken. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) stellte dazu am Freitag in Berlin einen Schutzbrief vor.
Darin wird über die Strafbarkeit von weiblicher Genitalverstümmelung in Deutschland informiert, auch wenn diese im Ausland vorgenommen wird. Laut hiesigem Strafrecht wird weibliche Genitalverstümmelung mit bis zu 15 Jahren Haft geahndet.
68.000 Frauen in Deutschland betroffen
„Wir wollen handeln gegen eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen auf der Welt“, sagte Giffey. Bei weiblicher Genitalverstümmelung handele es sich um eine „archaische Straftat gegen Mädchen und junge Frauen“. Ihnen werde das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung genommen. Geschätzte drei Millionen Frauen seien weltweit betroffen. Die Frauen litten ein Leben lang unter den körperlichen und seelischen Folgen.
Auch in Deutschland sei das Thema „aufgrund von Flucht und Migration“ angekommen, sagte Giffey. Ihr Ministerium gehe von rund 68.000 Frauen in Deutschland aus, die eine Genitalverstümmelung über sich hätten ergehen lassen müssen, sagte Giffey. 15.000 Mädchen lebten in der Angst, dass ihnen eine solche schwere Körperverletzung angetan werde.
Aufklärung und Warnung zugleich
Familien sollten mithilfe des Schutzbriefes davon abgehalten werden, bei Reisen ins Ausland eine Genitalverstümmelung an ihren Töchtern durchführen zu lassen, so Giffey. Das Dokument gebe ihnen „starke und überzeugende Argumente gegen den gesellschaftlichen und familiären Druck in den Herkunftsländern an die Hand“. Der Brief, der die Größe eines Reisepasses hat, lasse sich gut bei Reisen mittragen.
Der Schutzbrief wird von mehreren Bundesministerien, darunter auch das Gesundheitsressort von Minister Jens Spahn (CDU), mitgetragen. Die Bundesärztekammer war an der Erstellung des Briefes beteiligt.
Corona lässt Anlaufstellen wegbrechen
Anlässlich des Internationalen Tages „Null Toleranz gegenüber weiblicher Genitalverstümmelung“ am 6. Februar hatte die Menschenrechtsorganisation „Terre de femmes“ zuvor bereits vor den Folgen des Corona-Lockdowns gewarnt. Wegen eingeschränkter sozialer Kontakte und dem Rückgang von Arztbesuchen sowie der Schließung von Schulen und Sportvereinen fielen nahezu alle niedrigschwelligen Anlaufstellen weg.
„Für Mädchen, die von weiblicher Genitalverstümmelung bedroht oder betroffen sind, ist es in Lockdown-Zeiten fast unmöglich, Hilfe zu suchen“, sagte die Bundesgeschäftsführerin von Terre de femmes, Christa Stolle. Der „schwerwiegende Eingriff aus Gründen der Tradition“ bleibe derzeit unbemerkt. Bis heute fehle es in Deutschland an „effektiven Interventionsketten, die betroffenen und bedrohten Mädchen in der Not helfen“, kritisierte Stolle.