Studie vorgestellt

Häusliche Pflege endet nicht selten in Altersarmut

Der Sozialverband Deutschland schlägt Alarm: Frauen, die häusliche Pflege leisten, zahlten dafür einen hohen Preis. Notwendig sei eine finanzielle Kompensation.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:

Berlin. Häusliche Pflege darf nach Ansicht des Sozialverbands Deutschland (SoVD) nicht länger ein Armutsrisiko insbesondere für Frauen darstellen.

„Frauen, die ihren beruflichen Werdegang zugunsten der Familie zurückstellen, werden gegenüber vollzeitarbeitenden und durchgängig beschäftigten Personen mit einem geringeren Einkommen und einer geringeren Rentenanwartschaft bestraft“, heißt es in einem Gutachten, das der Verband am Dienstag vorgestellt hat.

„Wenn es zu einem Pflegefall in der Familie kommt, dann sind es in 70 Prozent der Fälle Frauen, die sich kümmern und unbezahlte Sorgearbeit leisten. Sie pflegen durchschnittlich 21 Stunden pro Woche unbezahlt“, kommentierte Verbandspräsident Adolf Bauer die Analyse.

Das Gutachten belege, dass sich viele pflegende Frauen vollständig aus dem Berufsleben zurückzögen, was „weitreichende Folgen“ für ihr Alterseinkommen habe.

Aufgrund der unterbrochenen Erwerbsarbeit zahlten sie entweder geringere Beiträge in das Sozialversicherungssystem ein, oder sie seien ausschließlich über ihren Partner abgesichert, betonte Bauer.

Finanziellen Ausgleich schaffen

Es bedürfe einer Aufwertung unbezahlter Familienarbeit – vor allem dann, wenn die Erwerbsarbeit aufgrund von Vereinbarkeitsproblemen unterbrochen werde, so Bauer.

Das könne mithilfe eines „umfassenden finanziellen Ausgleichs in Form einer Lohnersatzleistung“ gelingen. Dies verbessere die benachteiligte Einkommenssituation von Frauen und schaffe zugleich Anreize für Männer, sich paritätischer an Familienaufgaben zu beteiligen.

Pflegezeit mit Lohnersatz

Die Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Bärbel Bas, kritisierte, die überwiegend von Frauen geleistete häusliche Pflege führe zu oft zu Altersarmut. „Das darf nicht sein“, sagte Bas am Dienstag in Berlin.

Nötig sei eine bessere Absicherung. Dazu gehöre ein Anspruch auf Pflegezeit mit Lohnersatzleistungen, die der Elternzeit und dem Elterngeld entsprächen.

Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sprach sich für eine Art „Familienpflegegeld“ aus, um pflegende Angehörige finanziell zu entlasten. Es sei „aller Mühe wert“, sich solche Konzepte genauer anzuschauen, sagte die SPD-Politikerin bei einer Veranstaltung ihres Ministeriums zur Unterstützung pflegender Kinder und Jugendlicher am Dienstag.

Votum für Vollversicherung

Die pflegepolitische Sprecherin der Linksfraktion, Pia Zimmermann, wies darauf hin, dass sich viele Angehörige nicht aus freien Stücken dafür entschieden, „als Ersatz für eine professionelle Pflege einzuspringen“.

Vielmehr würden sie durch hohe Zuzahlungen dazu gedrängt, die Pflegeversicherung erst gar nicht in Anspruch und die Pflege stattdessen selbst in die Hand zu nehmen. „Und dann sind es meist die Frauen, die ihre Karriere hintanstellen.“

Nötig sei ein grundlegend neues Finanzkonzept für die Pflege, sagte Zimmermann. Ihre Fraktion fordere dabei die Umwandlung der bestehenden Pflegeversicherung in eine Vollversicherung, die alle pflegebedingten Leistungen finanziere. (hom)

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