Deutschland

Eine halbe Million Kinder pflegt Angehörige

Sie kochen, putzen, kaufen ein – und pflegen: Knapp eine halbe Million Kinder und Jugendliche kümmern sich um kranke oder pflegebedürftige Angehörige. Das vom Bundesfamilienministerium geförderte Projekt „Pausentaste“ bietet ihnen Rat und Hilfe.

Von Thomas Hommel Veröffentlicht:
Mitunter helfen Kinder auch bei der Einnahme von Medikamenten mit (Symbolbild mit Fotomodellen).

Mitunter helfen Kinder auch bei der Einnahme von Medikamenten mit (Symbolbild mit Fotomodellen).

© aletia2011 / stock.adobe.com

Berlin. Pflegende Kinder und Jugendliche brauchen laut Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) gezielte Hilfsangebote. Die jungen Menschen trügen eine „Riesenverantwortung“, sagte Giffey bei einem Treffen von Beteiligten des Projekts „Pausentaste“ am Dienstag in Berlin.

Erhielten die jungen „Kümmerer“ keine Unterstützung, fehle ihnen womöglich die Kraft, um Schulaufgaben zu bewältigen oder um Zeit für Freunde und Freizeit zu finden. „Ich habe größten Respekt davor, was pflegende Kinder und Jugendliche für ihre Geschwister oder Eltern täglich leisten.“

480.000 Kinder und Jugendliche pflegen

Laut einer Studie der Universität Witten-Herdecke im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums kümmern sich knapp 480.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland um chronisch kranke oder pflegebedürftige Angehörige.

Sie kochen Essen, kaufen ein und putzen, übernehmen aber auch pflegerische Aufgaben und begleiten die Angehörigen bei Haus- oder Facharztbesuchen.

Im Rahmen des vom Bundesfamilienministerium geförderten Projekts „Pausentaste“ erhalten pflegende junge Menschen Hilfe über das Kinder- und Jugendtelefon der „Nummer gegen Kummer“. Das Angebot ist unter der Rufnummer 116 111 kostenlos erreichbar. Die Beratung erfolgt anonym und wird von Montag bis Samstag jeweils in der Zeit von 14 bis 20 Uhr angeboten. An Samstagen findet zudem eine sogenannte Peer-to-Peer-Beratung durch speziell ausgebildete Berater im Alter von 16 bis 21 Jahren statt.

Häufig sei den Kindern und Jugendlichen gar nicht bewusst, dass sie Angehörige pflegen, betonte Familienministerin Giffey. „Viele sagen sich einfach, ich helfe doch nur und kaufe mal etwas ein oder putze.“ Pflegende Kinder und Jugendliche bräuchten jemanden, der ihnen zuhört und der sie unterstützt. „Sonst wird aus Pflege Stress, Überforderung und Einsamkeit.“

Hilfsangebote müssten noch stärker bekannt werden, damit jedes Kind die „Pausentaste drücke, wann immer es nötig ist“. Ein wichtiger Hebel seien auch Schulen. Hier müssten entsprechende Hilfsangebote aber über die Kultusminister der Länder eingespeist werden.

Viele Pflegebedürftige werden von Angehörigen versorgt

In Deutschland beziehen derzeit etwa 3,7 Millionen Menschen Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Hinzu kommen rund 211 000 Leistungsbezieher der privaten Pflegeversicherung. Rund 2,9 Millionen Menschen werden ambulant versorgt – die meisten mit Unterstützung pflegender Angehöriger.

Giffey betonte, ein wichtiger „Baustein“ bei der Entlastung pflegender Angehöriger sei die Stärkung der professionellen Pflege. Daher hätten sich Arbeits-, Gesundheits- und Familienministerium im Rahmen der „Konzertierten Aktion Pflege“ (KAP) auch auf bessere Ausbildungsbedingungen in der Pflege verständigt.

Dazu gehörten eine höhere Vergütung im ersten, zweiten und dritten Lehrjahr sowie eine reformierte, sogenannte generalistische Pflegeausbildung. „Das ist der richtige Weg“, sagte Giffey.

Unter dem Motto „Mach Karriere als Mensch!“ hatte das Familienministerium kürzlich eine Kampagne gestartet, die den Beginn der neuen Pflegeausbildungen nach dem Pflegeberufegesetz ab Anfang 2020 begleiten soll.

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