LSG Baden-Württemberg

Im Gerichtssaal traumatisiert – Entschädigung

Vergewaltigungsopfer steht staatliche Entschädigung zu, wenn es im Verfahren traumatisiert wird.

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STUTTGART. Wird ein Vergewaltigungsopfer wegen des Strafverfahrens gegen den Täter und dessen geringer Strafe erneut traumatisiert, kann auch dadurch ein Anspruch auf staatliche Opferentschädigung entstehen. Dies hat kürzlich das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart entschieden. Es sprach damit einer heute 38-jährigen Frau eine Beschädigtenrente zu.

Diese war im Oktober 2010 in Ludwigsburg nachts vergewaltigt worden. Der Täter nutzte dabei einen Asthma-Anfall der Frau aus. In der Folge litt sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Angstzuständen und Panikattacken. Bei ihr wurde ein "Grad der Schädigung" (GdS) von 20 festgestellt. Als der Vergewaltiger sich strafrechtlich für seine Tat verantworten musste, ging er einen rechtlich zulässigen "Deal" mit der Staatsanwaltschaft ein: Er legte ein Geständnis ab, dafür sollte er mit einer geringeren Strafe rechnen dürfen. Er wurde zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt und konnte den Gerichtssaal vor den Augen des Opfers als freier Mann verlassen.

Für die Frau war dies ein Schock. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich. Seitdem kann sie nicht mehr arbeiten und lebt in einer betreuten Wohngruppe. Vom Landesversorgungsamt verlangte sie eine Beschädigtenrente. Durch die Vergewaltigung sei der erforderliche GdS von 30 erreicht.

Das LSG Stuttgart sprach ihr nun dennoch eine Beschädigtenrente zu. "Der Deal zugunsten des Täters, der das Gericht als freier Mann verlassen konnte und die fehlende Aufarbeitung und Genugtuung für das Opfer, das im Strafverfahren nicht einmal angehört wurde (...), sind für die hinzugetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes verantwortlich", befand das LSG. Ursächlich sei hierfür die Vergewaltigung, ohne die es nicht "zu den sich anschließenden weiteren traumatisierenden Erlebnissen im Strafprozess" gekommen wäre. (fl/mwo)

LSG Baden-Württemberg Az.: L 6 VG 6/17

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