Hintergrund

In diesen Fällen droht Ärzten die Beweislastumkehr

Im Patientenrechtegesetz, wie es jetzt geplant ist, lauern einige Stolperfallen für Ärzte – wenn es um die Haftung geht. Denn nicht nur bei groben Behandlungsfehlern kehrt sich die Beweislast um.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Akribisch genaue Dokumentation ist ein Muss – sonst kann sich die Beweislast auf Kosten der Ärzte umkehren.

Akribisch genaue Dokumentation ist ein Muss – sonst kann sich die Beweislast auf Kosten der Ärzte umkehren.

© imago/imagebroker

Der nun im Bürgerlichen Gesetzbuch neu geschaffene Untertitel "Behandlungsvertrag" - das sind die neuen Paragrafen 630 a ff. - fasst die von der Rechtsprechung entwickelten Normen zusammen.

Auch wenn Organisationen wie die Bundesärztekammer mit einer gewissen Erleichterung davon sprechen, der Gesetzgeber gehe nicht über das Richterrecht hinaus, so wird in dem Paragrafenwerk und seiner Begründung doch deutlich, wie hoch die Anforderungen an die Ärzte sind.

Aktueller Facharzt-Standard ist Pflicht

Nach der Begründung ist auf den "jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis und ärztlicher Erfahrung abzustellen, der zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlich ist und sich bewährt hat."

Demnach genügt es nicht, dass der behandelnde Arzt ein Facharzt-Diplom erworben hat, vielmehr wird er auch verpflichtet, sich regelmäßig fortzubilden, um den jeweils aktuellen Stand seines Fachgebiets diagnostisch und therapeutisch realisieren zu können.

Daneben treten auch Organisationspflichten: sachgerechte Koordinierung des Behandlungsablaufs, Auswahl geeigneten (Assistenz-)Personals und dessen Kontrolle. Zu den Organisationspflichten gehören auch eine ordnungsgemäße apparative Ausstattung sowie die Einhaltung der notwendigen Hygiene.

Der Behandelnde muss dem Patienten zu Beginn der Behandlung und gegebenenfalls in deren Verlauf verständlich sämtliche für die Behandlung wesentliche Umstände erläutern, vor allem die Diagnose, die Therapie und die dabei notwendigen Maßnahmen, etwa die richtige Arzneimittelanwendung, aber auch deren mögliche Nebenwirkungen.

Der Patient soll auch nach der Therapie über alle Umstände informiert sein, die für ein therapiegerechtes Verhalten und zur Vermeidung einer möglichen Selbstgefährdung erforderlich sind.

Paragraf 630 e definiert umfassende Aufklärungspflichten des Arztes: Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen, spezifische Risiken, Notwendigkeit, Dringlichkeit und Eignung des Eingriffs zur Diagnose und Therapie, Erfolgsaussichten, Behandlungsalternativen; die Aufklärung muss durch den Arzt persönlich und mündlich erfolgen.

Dokumentation muss fälschungssicher sein

Die Dokumentation muss in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung in Papierform oder elektronisch geführt werden, und zwar fälschungssicher; Berichtigungen oder Änderungen sind nur zulässig, wenn der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt.

Zum Inhalt gehören sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse, insbesondere Anamnesen, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen sowie Arztbriefe.

Im Referentenentwurf haben Justiz- und Gesundheitsministerium davon abgesehen, weitreichende Forderungen nach einer generellen Umkehr der Beweislast bei Behandlungsfehlern und deren Ursächlichkeit für einen Schaden vorzusehen. Allerdings enthält Paragraf 630 h BGB einige Besonderheiten für die Beweislastverteilung.

So muss immer der Arzt beweisen, dass er eine notwendige Einwilligung des Patienten eingeholt hat und ihn ordnungsgemäß aufgeklärt hat. Lücken in der Dokumentation, die wesentliche Maßnahmen betreffen, führen dazu, dass vermutet wird, dass solche Maßnahmen nicht getroffen worden sind.

War ein Arzt für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht geeignet oder befähigt - insbesondere gilt dies für den geforderten aktuellen Facharzt-Standard -, so wird vermutet, dass die mangelnde Eignung für den Eintritt des Schadens ursächlich war.

Die Bürokratie wird sicher nicht abnehmen

Insofern geht der Referentenentwurf deutlich über die Beweislastumkehr für grobe Behandlungsfehler hinaus.

Es ist die Frage, ob sich Ärzte in Klinik und Praxis, die ohnehin seit Jahren verstärkt über Bürokratie und steigende Anforderungen an die Qualitätssicherung klagen, darüber im klaren sind, in welch hohem Ausmaß ihre persönliche fachliche Eignung sowie die Erfüllung von Aufklärungs-, Befunderhebungs- und Dokumentationspflichten darüber entscheiden, ob sich die Beweislast im Schadensfall gegen sie kehrt.

Vor allem für Krankenhäuser, die Honorarärzte beschäftigen, dürfte die Erfüllung der persönlichen Aufklärungspflichten durch Honorarärzte zu einem organisatorischen Problem werden, wie ein Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer befürchtet. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Honorararzt nur zeitweilig in der Klinik anwesend ist.

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Kommentare
Dr. Nicolai Schäfer 17.03.201208:40 Uhr

Aufklärung und Dokumentation unabhängig von der Tätigkeitsform!

Sicher gibt es in Kliniken Ausnahmesituationen, die den Rückgriff auf nur für wenige Tage anwesende Honorarärzte erfordern können. Auch sind nicht alle Arbeitsbereiche einer Klinik in gleichem Maße für den Einsatz von Honorarärzten geeignet. Aber: Durch geeignete Informations- und Einarbeitungskonzepte sind selbstverständlich auch Honorarärzte in der Lage, die geforderte persönliche Aufklärungspflicht zu erfüllen. Zudem können sich Kliniken einen festen Stamm von Honorarvertretungsärzten bzw. Honorarkooperationsärzten erarbeiten, auf den sie in Zeiten personeller Engpässe regelmäßig zurückgreifen können. Dadurch können "Reibungsverluste" durch unzureichende Kenntnis vorhandener Strukturen minimiert werden.

Fazit: Ob nun Honorararzt oder angestellt im Krankenhaus tätig, dies ist kein unlösbares Problem in Bezug auf Aufklärung und Dokumentation!

Dr. N. Schäfer - BV-H e.V., Berlin

Dr. Jürgen Schmidt 16.03.201211:06 Uhr

Ein Gesetz mit weitreichenden Folgen

Wer schon einmal in einem Kunstfehlerprozess von einem rechtsschutzversicherten Patienten durch alle Instanzen getrieben worden ist, möchte dies - obwohl entlastet - kein zweites Mal erleben müssen und betrachtet die Rechtsentwicklung mit einer anderen Sensibiltät.

Wenn die Rechtspraxis, also die richterliche Anwendung des neuen Gestzes zu einer Verschärfung der Beweispflicht für Dokumentation, organisatorische und fachliche Voraussetzung der Behandlung und des Behandlers führt, wird sich mehr entwickeln, als der viel beschworene Trend zu einer defensiven Medizin. Einerseits werden über gestiegene Versicherungsprämien die Kosten im Gesundheitwesen steigen, andererseits wird die Motivation der Ärzte für die Ausübung des Berufes sinken.

In der bisherigen Rechtspraxis hatten die Gerichte "überzogene" Aufklärungs- und Dokumentationspflichten weitgehend abgelehntn und das typischerweise Erforderliche am jeweiligen Fall gemessen. Ändert sich diese Praxis, so ändert sich Grundlegendes.
An Warnungen an den Gesetzgeber hat es von vielen Seiten - nicht nur der Ärzte - nicht gefehlt.

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