Besser vorbereiten
Innerklinische Notfälle werden oft verdrängt
Auch erfahrene Pflegekräfte geraten bei innerklinischen Notfällen in Panik. Experten wollen das ändern.
Veröffentlicht:KÖLN. Beim Umgang mit innerklinischen Notfällen haben viele Krankenhäuser Luft nach oben, findet Stefan Lenkeit, pflegerischer Koordinator für das innerklinische Notfallmanagement am Uniklinikum Bonn. Das betreffe sowohl das rechtzeitige Erkennen kritischer Zustände also auch das Management der Notfälle, sagte Lenkeit bei der MCC-Konferenz "Zentrale Notaufnahme im Fokus" in Köln.
"Welche Notfälle wir in deutschen Kliniken haben, ist leider oft noch ein Buch mit sieben Siegeln", beklagte er. Während es zu präklinischen Ereignissen viele Informationen gebe, wisse man über die innerklinischen so gut wie nichts. "In Deutschland werden die Daten nicht erhoben." Die Kliniken bräuchten ein System, um eine Verschlechterung des Zustands und eine neue Erkrankung früh zu erkennen. Aber: "In der präventiven Erkennung haben wir einen großen blinden Fleck", betonte Lenkeit.
Spezielle Teams schulen
30 Prozent aller Patienten mit einem Herzkreislaufstillstand hätten einen Tag, bevor in der Klinik ein Alarm ausgelöst wird, bereits Symptome. "Klare Zielsetzung der Kliniken muss es sein, dass es keine unerwarteten Herzkreislaufstillstände gibt", sagte er. Lenkeit sieht mehrere Gründe dafür, dass es in der Realität meist anders aussieht. Auch die zunehmende Arbeitsverdichtung in der Pflege spiele eine Rolle, mit immer weniger Personal müssten immer mehr Patienten versorgt werden. Internationale Studien würden zeigen, dass eine höhere Arbeitsbelastung mit einer höheren Sterblichkeit korreliert und eine höhere Qualifikation der Mitarbeiter mit einer niedrigeren Sterblichkeit. Zudem: "Die Früherkennung kritischer Krankheitsbilder und Notfälle sind nicht Teil der Berufsausbildung in der Pflege", sagte er. Die Möglichkeit von Notfällen werde in den Kliniken häufig verdrängt. "Die Pflege hat vor Notfällen Angst."
Mit der Einführung von medizinischen Einsatzteams, die speziell für den Umgang mit Notfällen geschult sind, lassen sich seiner Erfahrung nach deutliche Fortschritte beim innerklinischen Notfallmanagement erzielen. An der Uniklinik Bonn sei es mit ihrer Hilfe gelungen, die Inzidenz der Reanimationen und der Todesfälle zu senken. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter auf den Stationen wissen, wann sie die Teams alarmieren sollen. Außerdem dürfen sie keine Scheu haben, um Hilfe zu rufen, wenn ihnen der Zustand eines Patienten Sorgen macht, sagte Lenkeit. In Bonn gibt es an drei Standorten medizinische Einsatzteams. Sie bestehen aus einem Intensivmediziner und einer Intensivpflegekraft und kommen im Schnitt zweimal pro Tag zum Einsatz.
Im Florence-Nightingale-Krankenhaus in Düsseldorf ist die Zentrale interdisziplinäre Notaufnahme als Notfallzentrum nicht nur für die externen, sondern auch für die internen Notfälle zuständig. "Wir haben den Anspruch, dass 85 Prozent aller Patienten mit der endgültigen Diagnose auf die Station entlassen werden", berichtete Chefarzt Martin Pin. Die Patienten erhalten im Notfallzentrum einen fertigen Behandlungsplan und sind zu allen notwendigen Untersuchungen angemeldet.
Ressourcen werden geschont
"Das senkt die administrative Arbeit auf den Stationen, steigert die Patientensicherheit und reduziert die Liegezeiten." Nach einer Stichprobe spare die Arbeit des Zentrums ein bis zwei Behandlungstage ein, sagte er. Zudem schonen die Mitarbeiter die Ressourcen der Klinik – vor allem weil sie vermeiden, dass Patienten auf der Intensivstation landen, die gar nicht dorthin gehören. Entscheidend für den Erfolg des Notfallzentrums ist für Pin, dass sich die Mitarbeiter als Team und in erster Linie als Notfallmediziner und -pfleger verstehen. "Wir müssen ein eigenes Selbstverständnis für die Notfallmedizin entwickeln", sagte Pin, der auch Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin ist. Das Notfallzentrum sei der "Libero" der Klinik. "Wenn es irgendwo knallt, können wir einspringen."