Elektronisches Medikamentenmanagement

Ist ARMIN ein Vorbild für ganz Deutschland?

Ab Oktober soll es einheitliche Medikationspläne für Patienten geben – auf dem Papier. Ärzte und Apotheker könnten die Daten aber schon online austauschen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Polypharmazie: Medikamentenmanagement muss so wenig fehleranfällig sein wie möglich. Können Systeme wie ARMIN hier helfen?

Polypharmazie: Medikamentenmanagement muss so wenig fehleranfällig sein wie möglich. Können Systeme wie ARMIN hier helfen?

© Özgür Donmaz/iStock/Thinks

BERLIN. Vertragsärzte und Apotheker empfehlen der Politik Änderungen am E-Health-Gesetz vorzunehmen. Anstelle des geplanten Medikationsplans auf Papier solle stattdessen zügig ein elektronisches Medium eingesetzt werden. Zudem solle der Plan erst ab einer gleichzeitigen Einnahme von fünf Wirkstoffen aufgestellt und geführt werden müssen, sagten Vertreter von Vertragsärzten und Apothekern bei einer Veranstaltung in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am Mittwoch in Berlin.

Der Gesetzgeber sieht die Pläne ab drei gleichzeitig eingenommenen Wirkstoffen vor. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) geht von 20 Millionen Anspruchsberechtigten aus.

ARMIN: Blaupause, wie elektronisches Medikamentenmanagement gehen könnte

Mit dem Modell der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN) gebe es bereits eine Blaupause für ein elektronisches und damit weniger fehleranfällige Medikamentenmanagement, waren KBV-Chef Dr. Andreas Gassen und der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) Friedemann Schmidt sich bei der von der KBV ausgerichteten Diskussionsreihe "KBV kontrovers" einig.

"Wir tauschen in ARMIN Daten elektronisch aus", sagte Schmidt. Das bedeute eine Konsolidierung des Medikationsplans auf dem jeweils aktuellsten Stand. Das sei bei der Papierform so nicht gegeben. "ARMIN ist da, wo das E-Health-Gesetz erst hin will", sagte Gassen. Der Abgleich über das sichere Netz der KVen entbinde den Patienten von der lästigen Aufgabe, Papier von A nach B zu tragen.

Gassen: Keine Haftung für Ärzte

Die Medikationsplanung sei sinnvoll, sagte Gassen. Allerdings müssten Haftungsrisiken für die Ärzte ausgeschlossen sein. Das Recht der Patienten, Medikamenteneinnahmen zu verschweigen - etwa Viagra - sei eine potenzielle Fehlerquelle.

Schmidt sprang Gassen bei. Behalte der Patient sein Selbstbestimmungsrecht, müsse es einen Haftungsausschluss geben. Wolle der Gesetzgeber dies anders, müsse er gegenüber Ärzten und Apothekern die Vollständigkeit der Medikationspläne garantieren.

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 07.07.201616:43 Uhr

ARMIN ist organisiertes Medikations-Destabilisations-Management (MDM)

Seit meiner Praxisgründung 1992 habe ich Medikationspläne in Gebrauch, elektronisch gespeichert und ausgedruckt seit 1995 bis zum heutigen Praxistag.

Persönlicher Hinweis für versorgungsferne und medizinbildungsfremde Politiker, Medien, Krankenkassen und Öffentlichkeit: Kein persönlich an den Patienten gerichtetes Rezept (Rp. ist die lateinische Abkürzung für recipe „nimm“) verlässt meine Praxis ohne die Signatur als Medikamenten-Einnahmevorschrift. Das ist der letzte Teil der Rezeptformulierung, die mit lat. signa („bezeichne“) aus M.D.S. (lat. misce, da, signa "mische, gib und bezeichne“, bzw. nur mit S. abgekürzt wird. Er nennt die Anzahl und Dauer der Anwendung des Arzneimittels und gegebenenfalls Anwendungshinweise.

Und immer noch wird den Patienten/-innen genau dieses GKV-Rezept der Vertragsärzte nach Muster 16 mit essenziellen Informationen für ihre Behandlung in den Apotheken, selbst im Zeitalter von online-Übertragung an EDV-Apotheken-Rechenzentren, einfach weggenommen. D a s, und nichts anderes, ist die eigentliche Ursache für die Notwendigkeit von Medikamentenplänen! Der Patient verlässt nach mehreren Arztbesuchen die Apotheke mit mehreren Pillenschachteln und rätselt zu Hause, wer aus verschiedene Fachrichtungen ihm das alles wohl verschrieben hat?

Das scheint Funktionären der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Bundesärztekammer (BÄK) und des Deutschen ApothekerVerbandes immer noch vollkommen unbekannt zu sein, wenn über eine bundesweite Neu-Einführung mit Pseudo-Innovation eines ARMIN-Medikationsplans reflektiert werden soll. Rezepte nach Muster 16 gehören einfach wieder in die Hände der Patienten z u r ü c k und n i c h t allein in die Fänge der Abrechnungs-Bürokratie!

Aber ausschließlich wir Vertrags-Ärztinnen und -Ärzte sollen mal wieder selbst an Allem schuld sein, wenn unsere Patienten sich nicht mehr erinnern können oder wollen, von welchem Arzt sie wie und wann welche Medikamente einnehmen sollten: Die Apotheke hat es zwar (hoffentlich!) auf der Umverpackung vermerkt, aber diese landete ja schon vor Wochen im Altpapier-Container…

Der in Thüringen als Pilotprojekt bereits realisierte ARMIN-Medikationsplan wird dort als Muster mit 7 verschiedenen reinen Wirkstoffverordnungen kommuniziert und abgebildet: Mit einem hoffnungslos unterdosierten Antibiotikum Clarithromycin 250 mg (hoffentlich nicht bei einer Virusinfektion) und einem niemals doppelblind bzw. im "head-to-head" Vergleich geprüften Gelomyrtol mit 3x2 Dosierung. Das verwirrt unsere Patienten nur!
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/rezepte/article/910704/medikationsplan-patient-redet.html

Sieben reine Wirkstoffverordnungen pro Quartal, morbiditäts- und leitliniengerecht bzw. evidenzbasiert für unsere GKV-Patienten verordnet, bedeuten je nach Marktlage bis zu a c h t u n d z w a n z i g verschiedene Generika-Verpackungen, -Logos, -Tabletten-Formen und -Farben, -Herstellernamen oder Reimporte aus EU-Ländern in einem e i n z i g e n Behandlungsjahr. Je nach geheimen Rabattverträgen kommen auch noch wechselnde Original-Präparate-Namen hinzu.

Damit muss der bundeweit geplante ARMIN-Medikationsplan bis zu 28-mal im Jahr um- und neu geschrieben werden, weil jedes Mal ein anderer, geheimer Rabattvertrag greift bzw. die Hersteller gar nicht immer liefern können!

Auf der beratungs- und versorgungs-fernen pharmazeutischen Suche nach tagesaktuellen Medikamenten-Höchstrabatten ist dies nichts weiter als ein "Medikations-Destabilisations-Management" (MDM) mit erhöhten Arzneimittelrisiken durch Verringerung von Compliance und Adhärenz bei unseren Patientinnen und Patienten.

Die "Versorgungs-Experten" von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), Bundesärztekammer (BÄK) und Deutschem Apothekerverband (DAV) haben darüber mit den versorgungsnäheren Patienten und Ärzten gar nicht erst wirklich gesprochen!
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaf

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