Jeden dritten Euro könnten Kassen bei Arzneimitteln sparen

12,1 Milliarden Euro - deutlich mehr als 30 Prozent - könnten in der Arzneiversorgung der gesetzlichen Krankenkassen gespart werden. Diese Rechnung machen die Autoren des Arzneiverordnungs-Reports auf.

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"Das Regressrisiko wird definitiv überschätzt" - Dr. Leonhard Hansen, Mitglied im Schiedsamt des AMNOG.

BERLIN (HL). Letztes Jahr war es Schweden, dieses Jahr ist es Groß-britannien, das den Autoren des Arzneiverordnungs-Reports, der gestern am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde, als Maßstab für eine wirtschaftliche Arzneimittelversorgung dient.

Im Fokus: die nach Ansicht der Autoren zu hohen Preise sowohl für patentgeschützte Arzneimittel als auch für Generika.

Zwar wird gewürdigt, dass das Preismoratorium und die erhöhten gesetzlichen Rabatte die Arzneiausgaben gedämpft haben - theoretisch werden aber immer noch große Einsparpotenziale gesehen.

66 Prozent teurer als auf der Insel

Beispiel patentgeschützte Arzneimittel, für die die GKV 14,2 Milliarden Euro (48 der Gesamt-Arzneiausgaben) aufwendet. Der Pharmakologe Professor Ulrich Schwabe hat dazu Preisvergleiche für die zehn umsatzstärksten patentgeschützten Arzneien zwischen Deutschland und Großbritannien angestellt. Sie sind in Deutschland im Schnitt 66 Prozent teurer als auf der Insel.

Theoretisches Sparpotenzial: 977 Millionen Euro. Hochgerechnet auf den Gesamt-Patentmarkt kommt er auf 4,1 Milliarden Euro.

AMNOG auch für Generika notwendig

Ähnliches gelte aber auch für Generika. So seien die führenden zehn Nachahmer-Präparate in Deutschland 90 Prozent teurer als in Großbritannien. Hochgerechnet auf das gesamte Segment der patentfreien Arzneimittel schätzt er das Einsparpotenzial auf 3,3 Milliarden Euro.

Das Fazit von Schwabe lautet: Weder das AMNOG mit seiner frühen Nutzenbewertung für jetzt neu auf den Markt kommende Wirkstoffe noch das Instrumentarium für den Generikamarkt mit Festbeträgen, Generikaquoten und Rabattverträgen können das Problem lösen. Notwendig sei ein AMNOG auch für Generika.

Graalmann ist anderer Meinung

Das sehen Jürgen Graalmann, designierter Vorsitzender des AOK-Bundesverbandes und AVR-Ko-Autor Dr. Dieter Paffrath (AOK Nord-West) anders. Sie verweisen auf Einsparungen durch Rabattverträge in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Allein die AOK spart damit 600 Millionen Euro. Für Graalmann ein "bewährtes Erfolgsmodell".

Aus der Sicht von Dr. Leonhard Hansen - der Hausarzt und frühere Chef der KV Nordrhein gehört jetzt dem Schiedsamt AMNOG an - belegt der Report, dass der GBA sich so schnell wie möglich dem Bestandsmarkt patentgeschützter Arzneimittel zuwenden müsse.

Keine Angst vor Regressen

Drei Appelle richtete er an die Ärzte: Klinikärzte müssten die Polypharmazie reduzieren, Vertragsärzte sollten nicht bei Anwendungsbeobachtungen mitmachen.

Vor allem sollten sich Vertragsärzte nicht von apokalyptischen Szenarien zu ruinösen Regressen beeindrucken lassen. So habe es in Nordrhein bei 12 200 Ärzten im Jahr 2008 lediglich 19 Regresse gegeben.

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