Zum Welt-Nichtraucher-Tag

Kritiker halten Deutschland für halbherzig und fordern höhere Tabaksteuer

Ob Lungen- oder Luftröhrenkrebs: Zehntausende Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an den Folgen des Rauchens. Doch der Kampf gegen das Nikotin ist trotz aller Warnungen schwer.

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Eine Frau raucht eine E-Zigarette. Kostenlose Abgaben und Werbung gehören verboten, meint der Drogenbeauftragte der Bundesregierung.

Eine Frau raucht eine E-Zigarette. Kostenlose Abgaben und Werbung gehören verboten, meint der Drogenbeauftragte der Bundesregierung.

© Marijan Murat/dpa

Berlin. Mit Blick auf den Schutz vor Tabakqualm und schweren Folgeerkrankungen ist Deutschland nach Ansicht von Experten nicht gerade ein Vorbild. Zwar gibt es bereits viele Rauchverbote, etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Behörden. Aber im internationalen Vergleich schneiden viele Staaten im Kampf gegen das Nikotin besser ab.

Beispiel: Supermärkte. Noch immer können Tabakprodukte hierzulande problemlos gekauft werden, ebenfalls an Kiosken oder in Tankstellen. Viele andere Länder sind da schon weiter oder haben zumindest konkrete Pläne, wann ein Verbot umgesetzt werden soll. So dürfen etwa ab kommenden Jahr niederländische Supermärkte generell keine Zigaretten und anderen Tabak mehr verkaufen. Zum Welt-Nichtraucher-Tag am 31. Mai nimmt die Diskussion Fahrt auf.

Vergleichsweise niedrige Tabaksteuer

Kritiker halten die Tabaksteuer in Deutschland für zu gering. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nannte Deutschland gar eines der „Sorgenkinder“ weltweit. Erst 2022 war - erstmals seit sieben Jahren - wieder eine stufenweise Tabaksteuererhöhung in Kraft getreten. Im selben Jahr sank die Menge der versteuerten Zigaretten laut Statistischem Bundesamt um 8,3 Prozent auf 65,8 Milliarden Stück.

Ein Grund dürfte den Statistikern zufolge die Tabaksteuererhöhung sein, doch viele Gesundheitsexperten halten das nicht für ausreichend und verweisen auf Australien: Dort kostete 2022 eine Packung Zigaretten im Schnitt mehr als 27 Euro, in Deutschland waren es rund sieben. „Wir wissen, dass hohe Preise weniger Raucher bedeuten“, so Rüdiger Krech, WHO-Direktor für Gesundheitsförderung.

Viele Ausnahmeregelungen beim Rauchverbot

Auch in anderen Bereichen gibt es deutliche Kritik an den deutschen Bestimmungen: So wird das Rauchverbot in Kneipen und Gaststätten unterschiedlich ausgelegt. Nur in Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Saarland gilt ein absolutes Rauchverbot. In anderen Bundesländern gibt es Ausnahmeregelungen: Hier darf in abgetrennten Räumen gequalmt werden, dort ist in kleinen Kneipen, die kein Essen servieren, das Rauchen erlaubt. Wer steigt da noch durch?

Die Nichtraucher-Initiative Deutschland beklagt einen „Flickenteppich an Regelungen“. Ein bundesweites striktes Rauchverbot wäre ihr zufolge nötig. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) warnt zudem davor, dass der Rauch bei halbherzigen Lösungen auch in angrenzende Räume ziehen könnte - und so auch Nichtraucher gefährdet seien.

Ausgerechnet unten Jungen steigt der Raucheranteil

Jüngste Statistiken zeigen: Der Anteil junger Raucher in Deutschland ist stark gestiegen. Elf Prozent der 16- bis 29-Jährigen bezeichneten sich als regelmäßige Raucher, im Jahr 2020 seien es nur sechs Prozent gewesen, berichtete die Funke Mediengruppe über eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH).

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Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, spricht sich für weitere Werbeeinschränkungen aus. „Die kostenlose Abgabe von Erhitzern, E-Zigaretten und Vapes sollte ebenso der Vergangenheit angehören wie Werbung auf Plakaten und Sponsoring durch die Nikotinwirtschaft.“

Forderung nach einem Ende von Tabak-Subventionen

Doch reichen solche Maßnahmen? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzt noch viel früher und globaler an. Sie fordert das Ende für die staatliche Subventionierung des Tabakanbaus in vielen Ländern. „Tabak ist für acht Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich, und trotzdem geben Regierungen weltweit Millionen aus, um Tabakfarmen zu stützen“, kritisierte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. Statt des für Landwirte und Raucher schädlichen Tabaks sollten Pflanzen zur Ernährung der Weltbevölkerung angebaut werden.

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In ihrem Bericht zum Weltnichtrauchertag hebt die WHO auch einige europäische Anbauländer wie Nordmazedonien hervor, einem der 20 wichtigsten Tabak-Exporteure der Welt. Dort werde der Tabak-Anbau mit bis zu 2507 Dollar (etwa 2336 Euro) pro Hektar gefördert, während Weizen mit maximal 269 Dollar gestützt werde. In der Schweiz hätten Tabakbauern zwischen 2015 und 2020 mehr als 32 Millionen Dollar an Subventionen erhalten. In den USA und Argentinien seien in diesem Zeitraum jeweils mehrere Hundert Millionen Dollar Steuergeld in den Tabakanbau geflossen. Insgesamt wachsen weltweit in 124 Ländern Tabakpflanzen auf 3,2 Millionen Hektar. (dpa)

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